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Bader, Badknechte, Reiberinnen und Gewandhüterinnen zu Rattenberg
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Das wirft natürlich die Frage nach der Bildung der Bader zu dieser Zeit auf, die sich
mangels Quellen nicht beantworten lässt, zumindest nicht für Rattenberg. Freytag war
offenbar weit entfernt von den höheren Ansprüchen, die man im 18., ja schon im
17. Jahrhundert an die Bader und Wundärzte stellte (s. o.), er hatte ziemlich sicher
auch nicht das Bildungsniveau des Haller Baders und Wundarztes Melchior Schlögl,
der Ende 1570 ein wohl ausgestattetes Bad mit Wannen, Schaffen, umfangreichem
Handwerkszeug, Arzneien und acht Büchern, darunter das »Feldbuch der Wundarz-
nei« des Hans von Gersdorff, hinterließ.440 Ende des 16. Jahrhunderts war vermutlich
ein schreibunkundiger Bader wie Freytag schon seltener anzutreffen.441 Trotz zweier
Bäder scheint er nicht in Geld geschwommen zu sein. Denn die Kammer ließ ihm
1514 eine Schuld von 13 Gulden nach, die noch für Holz, das der Bader vom Hütten-
werk gekauft hatte, bestand.442
4.3.1 Krankheiten
Obgleich im Mittelalter und in der frühen Neuzeit Bakterien, Viren und Tröpfchen-
infektion nicht bekannt waren, wusste man sehr wohl, dass an öffentlichen Orten,
besonders in der Badstube, die Gefahr lauerte, sich mit unangenehmen, ja gefähr-
lichen Hautkrankheiten anzustecken. Dabei ging es nicht um mehr oder weniger
harmlose Ausschläge wie Blasen, Knoten, Schuppen, Flechten, Röteln, sondern zur
Hauptsache um vier schwere Leiden. Guarinonius zählt solche »mildte Gaben«, die
einer ins Bad schleppt und »den andern Mitbadenden mittheilet«, auf : starke Räude
(Krätze), schorfiger Aussatz, Franzosen (Syphilis) im Anfangsstadium und schmie-
rige Geschwüre.443
Während die Lepra seit dem 16. Jahrhundert verschwand,444 war es sicher für jeden
unangenehm, ja ekelhaft, wenn in der Badestube neben ihm oder ihr Männer oder
Frauen saßen, die sich an der durch Milben verursachten Krätze blutig gekratzt hatten
oder mit Borken übersät waren,445 die schwärende, offene Wunden oder eitrige Ge-
schwüre zeigten. Aber so richtig gefürchtet hat man sich vor der Syphilis, die kurz vor
1500 ihren Siegeszug durch Europa nahm. Da sie lange währte und zu abstoßenden
Hautausschlägen, die unter üblem Gestank aufbrachen, und heftigen Knochenschmer-
zen führte, ängstigte man sich vor ihr mehr als vor der Pest, die einen wenigstens
schnell dahinraffte, oder man wurde wieder gesund. Und der stinkende Atem der Sy-
philitiker machte sie auch nicht gerade den Mitmenschen angenehmer.446
Verfügungen der Obrigkeiten, Kranken den Zutritt zu Bädern zu verwehren, betra-
fen fast immer, wenn die Verbote ins Detail gingen, die Französische oder Gallische
Krankheit, die bösen Pocken, die schwarze Krätze, den Mal de Naples oder wie man
sonst die Syphilis nannte. Das Trinken eines Suds aus tropischem Guajakholz als Ge-
genmittel war teuer und wenig hilfreich, das Einschmieren mit Quecksilbersalbe
Im städtischen Bad vor 500 Jahren
Badhaus, Bader und Badegäste im alten Tirol
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Im städtischen Bad vor 500 Jahren
- Subtitle
- Badhaus, Bader und Badegäste im alten Tirol
- Author
- Robert Büchner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79509-4
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 202
- Category
- Geographie, Land und Leute