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17Zur
Forschungslage
aufgestellte These von der Tätigkeit einer wandernden Bauhütte ließ gar keine an-
dere Erklärung zu als die lineare zeitliche Reihung der nach ihren Stilformen von
ihm analysierten und entwicklungsgeschichtlich geordneten Werke. Auch Hans
Riehl folgte den Thesen Donins und charakterisierte die Baukunst des Übergangs
stils in Österreich mit der Behauptung , dass man am romanischen Baustil mit ei
ner eigenartigen , wieder echt österreichischen Zähigkeit festhielt , länger als irgendwo
anders31. Auch Hans Tietze , einer der bedeutendsten Kunsthistoriker der Zwi-
schenkriegszeit , folgte 1931 als Autor des Bandes der Österreichischen Kunstto-
pographie über den Wiener Stephansdom der Linie der Spätdatierung und setzte
den Bau des Riesentors … um 1260–80 an32. Das mittelalterliche Österreich wurde
demnach als Randprovinz des Deutschen Reiches angesehen , weit abgelegen vom
Kunstgeschehen der führenden Zentren wie Frankreich oder dem Rheinland. In
einem breit angelegten Bild eines Ost
West Kulturgefälles wurde Österreich nur ei-
ne bescheidene Rolle zugemessen und es wurde mit seinen Nachbarländern Böh-
men und Ungarn zu einem Rückzugsgebiet spätromanischer Stilformen erklärt.
Freilich bestand neben der von Donin und anderen vertretenen Ansicht auch
noch weiterhin die Auffassung , spätromanische Bauten und Werke des Übergangs
stils so zu datieren wie in der älteren Literatur. Vor allem Untersuchungen zur
Bauplastik schienen diese Ansicht zu bestätigen. Hatte schon Franz Ottmann
1905 anhand von Vergleichen der figuralen Bauplastik das Riesentor des Wiener
Stephansdoms in die Jahre nach 1236 / 3733 gesetzt , so kamen 1930 Fritz Novotny34
und 1942 E. V. Strohmer35 zu ganz ähnlichen Ergebnissen. Alfred Wenzel gelang-
te aus Vergleichsstudien mit der Klosterkirche Třebič in Mähren zu einer Datie-
rung des Wiener Riesentors … um 124036. Am entschiedensten trat Karl Ginhart ,
dessen Studien von der Kapitellplastik ausgingen , den Datierungsansichten Do-
nins entgegen. Ginhart erklärte , dass die Entwicklung … selbstverständlich in Wi
en , einer führenden deutschen Kunststadt , und in ihrem Umkreis nicht anders als ir
gendwo sonst in Deutschland verlaufen sein könne ; er datierte den Bau der Wiener
Michaelerkirche um 1219 … bis höchstens 1240 und das Riesentor von St. Stephan
samt den dazugehörigen Bauteilen um 1230 … sicher vor 124037. 1944 wurde der
Konflikt der Meinungen Donins ( Spätdatierung ) und Ginharts ( Frühdatierung )
besonders deutlich , als im gleichen Sammelband38 Bauten des 13. Jahrhunderts
von Donin und Ginhart um über 50 Jahre verschieden datiert wurden39. Nach-
dem inzwischen Paul Buberl die Baudaten des Kreuzgangs im Stift Zwettl in sei-
ner Bearbeitung der Kunsttopographie zwischen 1204 und 1227 verifiziert hatte40 ,
versuchte Donin , dieses Ergebnis mit seiner These der Spätdatierungen dennoch in
Die Baukunst des 13. Jahrhunderts in Österreich
- Title
- Die Baukunst des 13. Jahrhunderts in Österreich
- Author
- Mario Schwarz
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2013
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78866-9
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 498
- Keywords
- Medieval architecture, Austrian art, Medieval art, Austrian architecture, Architectural history, 13th century architecture
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
- Kunst und Kultur