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Die Voraussetzungen im 12.
Jahrhundert54
wie beim Passauer Pilgrimdom bestand oberhalb des Portals eine Gruppe von drei
kleinen Fenstern , die zur Belichtung der Westempore dienten. In St. Pölten sind
die Turmprismen des 12. Jahrhunderts bis zum zweiten Gesims noch erhalten , sie
wurden allerdings nach einem Großbrand im Jahre 1512 außen weitgehend restau-
riert. Der Brand dürfte auch Ursache des Einsturzes des Nordturmes in dessen
oberem Bereich gewesen sein , der bald darauf nur mehr bis zu halber Höhe wie-
deraufgebaut wurde , während man die Portalvorhalle gänzlich abbrechen muss-
te204. Auf den Bau Bischof Reginberts geht die Apsis des südlichen Seitenschiffs
zurück , die noch heute in der Rosenkranzkapelle ( Abb.
72 ) erhalten ist205.
Mit seiner Schauseite entsprach dieser Bau in der monumentalen Außener-
scheinung des Westturmpaares dem Vorbild des Passauer Pilgrimdoms. Im West-
werkmotiv fand der Eigenkirchenanspruch des Passauer Bischofs Ausdruck. Die
Westanlage war als bauliche Manifestation der Rechtsstellung weltlicher Macht
im Rahmen der Kirche zu verstehen. Obwohl der Bischof in erster Linie Repräsen-
tant der kirchlichen Hierarchie war , trat er hier gleichzeitig als Eigenkirchenherr
mit der gleichen baulichen Symbolik auf wie ein weltlicher Kircheninhaber , so
wie schon seit karolingischer Zeit der Kaiser in einer Klosterpfalz oder seit dem
Hochmittelalter ein Herrschaftsbesitzer als Patronatsherr einer Pfarrkirche.
Bischof Reginbert erlebte selbst die bauliche Vollendung der Klosterkirche
St. Pölten nicht mehr , da er auf dem 1148 von Kaiser Konrad III. ausgerufenen
Kreuzzug den Tod fand. Die Einweihung des Neubaus erfolgte unter Propst Udal-
rich am 15. Juni 1150 und wurde bereits von Reginberts Nachfolger Bischof Kon-
rad vollzogen. Dieser entstammte dem Geschlecht der Babenberger – er war ein
Sohn des Markgrafen Leopold III. Wie Friedrich Schragl meint , verdankte er die-
ses Amt der politischen Einflussnahme seines Bruders Leopold IV. , der 1136 bis
1141 als Markgraf von Österreich regierte , ab 1139 aber auch Herzog von Bayern
geworden war206. Es ist aber bemerkenswert , dass Konrad von Babenberg wäh-
rend seinem Episkopat in keinem Fall Familieninteressen über die Interessen seiner
Diözese stellte , obwohl dies sein Bruder Herzog Heinrich II. Jasomirgott von ihm
erwartete. Es kam vielmehr während der Regierung von Bischof Konrad zu Aus-
einandersetzungen mit Herzog Heinrich II. , der 1141 die Nachfolge Leopolds IV.
angetreten hatte. Bischof Konrad verbesserte die Rechtsstellung der Passauer Besit-
zungen in Österreich : Die Ortschaft St. Pölten erfuhr durch ihn eine bedeutende
Aufwertung , indem ihr der Bischof im Jahre 1159 wichtige Privilegien erteilte , die
Karl Gutkas als das älteste kodifizierte Stadtrecht in Österreich bezeichnet hat207.
Die Baukunst des 13. Jahrhunderts in Österreich
- Title
- Die Baukunst des 13. Jahrhunderts in Österreich
- Author
- Mario Schwarz
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2013
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78866-9
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 498
- Keywords
- Medieval architecture, Austrian art, Medieval art, Austrian architecture, Architectural history, 13th century architecture
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
- Kunst und Kultur