Page - 118 - in Die Baukunst des 13. Jahrhunderts in Österreich
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Die Bautätigkeit Herzog Leopolds VI.
118 Vorreiter in dieser Entwicklung waren die Zisterzienser ; 1204 wurde die Ele-
vation erstmals , für einen lokalen Bereich begrenzt , in den Statuten der Pari-
ser Synode388 festgelegt. Wie man meint , habe eine neue Wiederbesinnung auf
die aristotelische Philosophie zu dieser realistischen Vergegenständlichung des
Symbols geführt : Während nach der Lehre des in Frankreich zuvor hoch ver-
ehrten Mystikers der Ostkirche , Dionysius Pseudo-Areopagita , die Vision durch
die Sinne dem geistigen Schauen stets untergeordnet sei , lehrte Hugo von Saint-
Victor nunmehr : le Christ es présent corporellement , puisqu’il est en quelque sorte
accessible au regard , in visu389. Die Lehre von der Realgegenwart Christi in der
Eucharistie machte die konsekrierte Hostie zur wirksamsten Heilsmaterie390 ,
da sie die für den Menschen konkret erfahrbare Gottespräsenz verkörperte. Die
Elevation der konsekrierten Hostie nach der Wandlung wurde zum feierlichst
gesteigerten Höhepunkt der ganzen Messfeier : Das Vierte Laterankonzil stellte
mit der Lehre der Transsubstantiation die Verehrung des Leibes Christi höher
als jede fromme Reliquienverehrung und betonte dies auch , um Auswüchsen des
Reliquienkultes im Christentum Einhalt zu gebieten. Allerdings wurde damit
die Reliquienverehrung keineswegs abgeschafft oder zurückgedrängt , vielmehr
veränderte sich deren Charakter den theologischen Neuerungen entsprechend.
Auch im Bereich der Reliquienverehrung gewann nach den realistischen Vorstel-
lungen der Hochscholastik die Zurschaustellung , die Entblößung , das Vorzei-
gen Vorrang , um das Heiligste dem Auge sichtbar zu machen391.
Die Steigerung der gebotenen Ehrfurcht gegenüber der Eucharistie durch die
liturgischen Neuerungen des Laterankonzils führte insofern zur Weiterentwick-
lung des Frömmigkeitsverhaltens , als bestimmte Heilige , insbesondere Maria ,
die Apostel oder die Gemeinschaft der Heiligen , verstärkt als mächtige Mittler
und Fürbitter bei Gott angerufen und verehrt wurden. Das Aufkommen immer
neuer Gattungen der individuellen Andacht und des privaten Gebets führte zu einer
zunehmenden Vorliebe für … Kapellen , für intime , eng umhegte Andachtsstätten392.
Im Zuge der zunehmenden Individualisierung des Lebens löste sich zu Beginn
des 13. Jahrhunderts auch der Gemeinschaftsverband der Messliturgie. An die
Stelle des Sakramentars , jenes liturgischen Buches , das nur die Amtsgebete des
Priesters enthielt , trat nun als Ergebnis der allgemeinen Verbreitung der stillen
Messe des allein zelebrierenden Priesters das Vollmissale , das sämtliche Messtex-
te , also auch Lesungen und Gesangstexte , enthielt393.
Die schon während des Hochmittelalters entstandenen Formen privater An-
dacht , wie die Einzelmessen und die spezifische Verehrung bestimmter Heiliger ,
Die Baukunst des 13. Jahrhunderts in Österreich
- Title
- Die Baukunst des 13. Jahrhunderts in Österreich
- Author
- Mario Schwarz
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2013
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78866-9
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 498
- Keywords
- Medieval architecture, Austrian art, Medieval art, Austrian architecture, Architectural history, 13th century architecture
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
- Kunst und Kultur