Page - 120 - in Die Baukunst des 13. Jahrhunderts in Österreich
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Die Bautätigkeit Herzog Leopolds VI.
120 König Philipp II. August ließ gegen Ende seiner Herrschaftszeit am königli-
chen Schloss von Saint-Germain-en-Laye eine der heiligen Maria geweihte Privat-
kapelle erbauen , die 1223 , im Jahr seines Todes , geweiht wurde399. Diese Kapelle
wurde schon fünfzehn Jahre später von seinem Enkel Ludwig IX. durch einen
Neubau ersetzt400. Entscheidend für die Etappen dieses dynamischen Prozesses
war die politische und kirchengeschichtliche Zugehörigkeit zum Machtzentrum
des französischen Königs in Paris sowie zu den Erzbistümern Sens und Reims , wo
die fortschrittlichsten Entwicklungabläufe vor sich gingen.
Obwohl es problematisch erscheint , schon in der ersten Hälfte des 13. Jahr-
hunderts das Bestehen voll ausgebildeter , überregional organisierter Bauhütten zu
postulieren , bestanden zweifellos in Sens , Reims , Auxerre und Paris an den Dom-
bauhütten führende künstlerische Zentren , unter denen ein Austausch konstruk-
tiv-statischer Erfahrungen wie auch stilistischer Detailformen erfolgt sein muss.
Die Vermittlung geschah höchstwahrscheinlich durch die Wanderung einzelner
Architekten und deren Schüler und Mitarbeiter sowie einzelner oder in Gruppen
zusammenarbeitender Steinmetzen zu neuen Auftragsplätzen. Der Gestaltungs-
wille bestimmter Persönlichkeiten , wie der Erzbischöfe Albéric de Humbert ( reg.
1206–1218 ) und Guillaume de Joinville ( reg. 1218–1226 ) von Reims , des Guillau-
me de Seignelay , Bischofs von Auxerre ( 1207–1220 ) und Paris ( 1220–1223 ) , und
vor allem des Königs Ludwig IX. ( reg. 1226–1271 ) , konnte sich durch kongeniale
Architekten artikulieren , wie Gaucher de Reims , Jean Le Loup , Jean d’Orbais
und Bernard de Soissons in Reims , Robert de Luzarches und Thomas de Cormont
in Amiens , Pierre de Montreuil in Paris sowie die Meister der Kathedrale von Au-
xerre und des Umbaus von Saint-Denis. Dass die Forschung mit einer Fülle von
Argumenten gerade die Kapellenbauten diesen hoch angesehenen Kathedralbau-
meistern zuschreibt , zeigt , wie hochrangig die Bauaufgabe der Kapelle angesetzt
gewesen sein muss. Wollte man an diesem zu höchstem Raffinement gesteigerten
gestalterischen Niveau teilhaben , so ging dies zweifellos nur auf dem Weg direk-
ter Vermittlung durch die Amtsträger im Umkreis des königlichen Hofes. Dieses
Milieu beherrschte nicht nur die Träger der entsprechenden künstlerischen Fähig-
keiten , es beanspruchte auch ihre Leistungsfähigkeit über alle Maßen , indem zur
gleichen Zeit eine so große Zahl aufwendigster Großbauten in Arbeit stand.
Auffallend bei der Wandgestaltung der Kapellen des frühen 13. Jahrhun-
derts – sowohl im Bereich der Radialchöre an den Großkirchen als auch bei
Einzelkapellen – ist die Ausbildung von Laufgängen oberhalb einer Blendarka-
denzone. In den Kapellen lagen die Laufgänge ausdrücklich in jenem Bereich ,
Die Baukunst des 13. Jahrhunderts in Österreich
- Title
- Die Baukunst des 13. Jahrhunderts in Österreich
- Author
- Mario Schwarz
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2013
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78866-9
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 498
- Keywords
- Medieval architecture, Austrian art, Medieval art, Austrian architecture, Architectural history, 13th century architecture
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
- Kunst und Kultur