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Die Bautätigkeit Herzog Leopolds VI.
126 Neben dem Lignum crucis und Christusreliquien wie der Dornenkrone be-
saßen Reliquien Johannes des Täufers im Mittelalter höchsten Verehrungswert.
Johannes galt nach christlichem Glauben als letzter und größter Prophet des Al-
ten Bundes und als Vorläufer ( Prodromos ) Christi , den er bei der Taufe am Jordan
als Messias verkündet hatte. Jesus selbst hatte Johannes den Größten unter den von
einem Weibe Geborenen genannt , wie der Evangelist Matthäus überliefert. Sein
Patrozinium wurde seit dem 4. Jahrhundert häufig für Kirchen gewählt ; beson-
dere Bedeutung hatte dabei , dass die Lateranbasilika , die Titelkirche des Papstes
als Bischof von Rom , Johannes dem Täufer geweiht war425. Im Lateran wurden
das Gewand und der Becher Johannes des Täufers als kostbarste Reliquien ver-
wahrt426. Höchste Wertschätzung genoss der Heilige auch in Konstantinopel :
Die byzantinische Kirche feierte an drei verschiedenen Festtagen die drei wun-
derbaren Wiederauffindungen des Hauptes Johannes des Täufers , dessen Vereh-
rung durch Kaiser Theodosius den Großen bezeugt ist und für dessen Aufbe-
wahrung Kaiser Justinian die Johannes-Prodromos-Kirche im Hebdomonpalast
in Konstantinopel hatte erbauen lassen427. Im Jahre 1204 sah Robert de Clari
als Augenzeuge der Vorgänge bei der Eroberung von Konstantinopel durch die
lateinischen Kreuzfahrer die Kopfreliquie Johannes des Täufers in der Heiligen
Kapelle des Bukoleonpalastes Seite an Seite mit zwei Teilen des Wahren Kreuzes ,
einem Teil der Heiligen Lanze , zweier Nägel vom Kreuz , einer Phiole mit dem
Blut Christi , der Tunika des Gekreuzigten , der Dornenkrone und eines Kleides
der Muttergottes428. Eine andere Reliquie Johannes des Täufers – ein Stück von
seiner rechten Hand – hatte bei der Krönung der byzantinischen Kaiser insignale
Funktion429. In einem überaus kostbar gestalteten Reliquiar , der Staurothek der
byzantinischen Kaiser Konstantinos VII. und Romanos II. ( um 959 ) war neben
kostbarsten Christus- und Marienreliquien das ehrwürdige Haar des heiligen Jo-
hannes des Vorläufers430 mit eingeschlossen.
Auch die Kaiser des Abendlandes sahen in Johannes dem Täufer ihren Schutz-
patron. Im Reliquienschatz Karls des Großen befand sich das Enthauptungstuch
des hl. Johannes. Es zählte zu den vier Großen Heiligtümern , die alle sieben Jahre
bei der Heiltumsweisung am Aachener Dom dem Volk gezeigt wurden431. Zu den
Reichskleinodien gehörte auch eine Zahnreliquie Johannes des Täufers432. Auch
ein Gewandstück des hl. Johannes befand sich unter den Reichsreliquien , wie die
Berichte von den Weisungen der Reichsheiltümer vom Heiltumsstuhl beim Hei-
liggeistspital in Nürnberg aus dem 15. Jahrhundert bezeugen433. Eine unmittelba-
re Bezugnahme auf Johannes den Täufer ist aus dem Ordo der römisch-deutschen
Die Baukunst des 13. Jahrhunderts in Österreich
- Title
- Die Baukunst des 13. Jahrhunderts in Österreich
- Author
- Mario Schwarz
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2013
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78866-9
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 498
- Keywords
- Medieval architecture, Austrian art, Medieval art, Austrian architecture, Architectural history, 13th century architecture
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
- Kunst und Kultur