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127Die
Bautätigkeit Herzog Leopolds VI.
Königskrönungen in Aachen ersichtlich : Die Geistlichkeit sang , wenn sie den neu
gekrönten König vom Altar durch die Kirche zum Thron Karls des Großen gelei-
tete , den gleichen königlichen Psalm 20 ,4 : posuisti Domine , in capito eius coronam
de lapide pretioso , wie er zur Communio am Fest der Enthauptung Johannes des
Täufers am 29. August gebetet wurde434.
Die persönliche Verehrung Herzog Leopolds VI. von Österreich für den hl.
Johannes den Täufer ist bereits für das Jahr 1217 bezeugt. Ende Juni dieses Jahres
ließ der Herzog die ersten vier Altäre im Zisterzienserkloster Lilienfeld durch Bi-
schof Ulrich von Passau weihen435. Die Auswahl der Altarpatrozinien zeigt eine
bedeutungsvolle Bezugnahme auf den bevorstehenden Kreuzzug : Ein Altar wurde
dem Erzengel Michael , dem Beschützer der Kirche , des deutschen Volkes , des
Rittertums und Beistands in der Todesstunde436 , geweiht , ein weiterer Altar dem
heiligen Wilhelm von Aquitanien als Schutzpatron im Kampf gegen die Saraze-
nen437 , ein dritter Altar dem hl. Apostel Andreas als Patron des Orients438. Der
vierte Altar , dessen Standort im Querhaus sich bis heute erhalten hat439 , wurde
Johannes dem Täufer geweiht. Es wird angenommen , dass Herzog Leopold VI.
die teilweise Fertigstellung der Stiftskirche Lilienfeld mit diesen Altarweihen si-
chergestellt wissen wollte , bevor er zum Kreuzzug aufbrach , von dem zurück-
zukehren für ihn ungewiss war440. Wahrscheinlich erfolgten besondere Zuwen-
dungen des Herzogs für einen entsprechend rechtzeitigen Baufortschritt in der
Art eines ex voto für eine glückliche Rückkehr aus dem Orient. Eine besondere
Verehrung für Johannes den Täufer kann auch von der Gemahlin Leopolds VI. ,
Herzogin Theodora , ausgegangen sein : Als Enkelin des byzantinischen Kaisers
Isaak II. Angelos ( reg. 1203 / 1204 ) muss ihr die hohe Bedeutung des heiligen Jo-
hannes Prodromos am Hof von Konstantinopel vertraut gewesen sein.
Um die neu erbaute Palastkapelle in Klosterneuburg im Jahre 1222 dem hl.
Johannes dem Täufer weihen lassen zu können , war der Besitz von Altarreliqui-
en des Kirchenpatrons unerlässlich. Nun kann sehr wohl an die Möglichkeit ge-
dacht werden , dass Herzog Leopold VI. vom Papst Reliquien Johannes des Täu-
fers aus dem Lateran geschenkt erhalten haben könnte , etwa zur Belohnung für
seine Teilnahme am Kreuzzug nach Damiette. Noch größeres persönliches Pres-
tige als eine Reliquienschenkung hätte dem Herzog allerdings die selbstständige
Erwerbung solcher Reliquien auf dem Kreuzzug eingebracht. Hier war allerdings
Vorsicht geboten. 1204 hatten die lateinischen Kreuzfahrer in Konstantinopel
große Mengen kostbarster Reliquien durch Plünderungen an sich gebracht. Ob-
wohl ihnen bei Androhung von Kirchenbann und Todesstrafe deren Rückgabe
Die Baukunst des 13. Jahrhunderts in Österreich
- Title
- Die Baukunst des 13. Jahrhunderts in Österreich
- Author
- Mario Schwarz
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2013
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78866-9
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 498
- Keywords
- Medieval architecture, Austrian art, Medieval art, Austrian architecture, Architectural history, 13th century architecture
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
- Kunst und Kultur