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129Die
Bautätigkeit Herzog Leopolds VI.
die Ordination der monophysitischen Patriarchen von Ägypten wurde seit Anba
Macarius I. ( reg. 932–952 ) , dem 58. Nachfolger des hl. Markus , nicht mehr in
Alexandrien selbst , sondern im Macariuskloster in Sketis vorgenommen447.
Die Kreuzfahrer , die von Akkon ins Nildelta gekommen waren , mussten von
ihren im Königreich Outremèr ansässigen Gewährsleuten sehr wohl davon infor-
miert gewesen sein , dass sich am Sitz der koptischen Patriarchen im Macarius-
kloster Reliquien Johannes des Täufers befanden. Obwohl die monophysitischen
Kopten von Teilen der Kreuzfahrer als Häretiker verdammt wurden448 , kam es
dennoch zu Kontaktnahmen der christlichen Ägypter mit den Franken , da sich
die Kopten von diesen eine Erleichterung ihrer Situation als unterdrückte Glau-
bensminderheit erhofften – freilich vergeblich , wie sich zeigte449. Als die abend-
ländischen Ritter die Hafenfestung Damiette monatelang belagerten , befanden
sie sich am Nordrand des Nildeltas , nur ca. 200 km entfernt von den Klöstern
des Natrontales in der Sketischen Wüste , deren Hauptheiligtum Abu Makar die
Johannesreliquien barg. Wenn es Herzog Leopold VI. gelungen sein sollte , von
koptischen Christen Reliquien aus diesen authentischen Beständen zu erwerben ,
so mussten sie zu den größten Kostbarkeiten unter allen Devotionalien zählen , die
jemals von Kreuzfahrern aus dem Orient nach Europa gebracht worden waren.
Solche Heiltümer waren es wohl wert , in einem Reliquienschrein unvergleichli-
cher Pracht aufbewahrt zu werden , und waren geeignet , diesem auch das entspre-
chende Patrozinium zu verleihen , nämlich der Palastkapelle des heiligen Johannes
des Täufers in Klosterneuburg.
Gewiss war der Ausgangspunkt für die Schaffung eines Andachtsortes , wie
sie die Capella Speciosa darstellte , eine gewisse Selbstfaszination Herzog Leo-
polds VI. aus seinem Besitz an kostbaren Reliquien und seinen Kreuzzugserleb-
nissen – ein Verhalten , das später auch für König Ludwig IX. von Frankreich
kennzeichnend werden sollte. Doch es gab für den Babenbergerherzog noch an-
dere konkrete Gründe , sich nicht mit dem Besitz von Reliquien allein und mit
dem Ruhm eines glücklich überstandenen Kreuzzugsunternehmens zu begnü-
gen , sondern vielmehr diese Faktoren nach außen hin in ein wirkungsvolles Licht
zu setzen : Seit Jahren bestand zwischen den Landesfürsten von Österreich und
den für ihr Gebiet kirchenpolitisch zuständigen Diözesanbischöfen von Passau
ein Machtkampf , bei dem es um die Errichtung eines eigenen Landesbistums in
Österreich sowie auch um Patronatsrechte über Pfarrkirchen ging. Diese Ausei-
nandersetzung hatte unter Leopold VI. ihren Höhepunkt und erst 1215 ihren vor-
läufigen Abschluss gefunden. Wenn der Herzog nun mit dem Bau einer Heiligen
Die Baukunst des 13. Jahrhunderts in Österreich
- Title
- Die Baukunst des 13. Jahrhunderts in Österreich
- Author
- Mario Schwarz
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2013
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78866-9
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 498
- Keywords
- Medieval architecture, Austrian art, Medieval art, Austrian architecture, Architectural history, 13th century architecture
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
- Kunst und Kultur