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74 TobiasHaasund Isabel Jürgens
erlebte die Autokritik in den 1970er Jahren eine neue Blüte. Diese richtete
sich vorwiegend gegen die umweltschädlichen Auswirkungen des Automo-
bils unddieGefahren für diemenschlicheGesundheit, aber auchgegendie
Zerstörungder Lebensqualität indenStädten,die nicht nur, aber zu einem
bedeutendenTeilaufdasAutomobilzurückzuführenist (Canzler2016:67ff.).
Gleichwohl führte die Autokritik und die in den 1970er Jahren vorherr-
schende Krise der Automobilindustrie, die zu einem gewissen Grad auch
durch die beiden sogenannten Ölkrisen verstärkt wurde, keineswegs zu
einem Niedergang des Automobils. Vielmehr entwickelte die Autoindus-
trie neue Komponenten, um die Gefährte sicherer zu machen und den
Schadstoffausstoß zu reduzieren. Der Katalysator wurde entwickelt. Der
Sicherheitsgurt, dieKindersitzeund inden 1980er JahrenderAirbagwaren
wichtigeVoraussetzungen,umdieZahlderVerkehrstotendeutlichzu redu-
zieren.DieAutomobilindustriewar inderLage,zumindest soweitLösungen
für die Kritikpunkte zu finden, dass sich dieMassenmotorisierung weiter
vollzog.Zwischen 1975und2018 stiegdieZahlder zugelassenenAutomobile
inDeutschlandvon16,5Millionen (nurBRD)auf47,1Millionenan.
Mit der Politisierung der durch dieMassenmotorisierung verbundenen
Probleme änderten sich jedoch nicht nur die Automobile, sondern auch
die kulturelle Aufladung des Automobils. Das Freiheitsversprechen wurde
nicht obsolet,Autoswerdennachwie vor inderRegel vorderKulisse leerer
Straßenbeworben.Allerdings lässt sicheinestarkeBedeutungsverschiebung
ausmachen.Denndie Sicherheitsaspektewurden immer stärker adressiert.
Wells undXenias bringendieseBedeutungsverschiebungbegrifflich folgen-
dermaßenaufdenPunkt: »from ›freedomof theopen road‹ to ›cocooning‹«
(Weels/Xenias2015: 106).Dassicheinhüllenverweist jedochnichtnuraufdie
stärkereAdressierungderSicherheit derAutofahrenden, sie hat noch einen
anderen Aspekt, nämlich die immer weitergehende Ausstattung der Auto-
mobile mit Infotainment, die diese aufwerten und zugleich schwerer und
teurer machen. Dank der immer ausgefeilteren Technik und zusätzlichen
Unterhaltungsmöglichkeiten lassen sich die Zumutungen der Massenmo-
torisierung, die sich etwa in Verkehrsstausmanifestieren, für viele leichter
ertragen.
DieseBedeutungsverschiebunggeht zudemeinhermit derEntwicklung
eines neuenAutomobiltypus, den sogenannten SportsUtilityVehicles (SUVs).
DieseGeländewagen,dievornehmlichundzumeistausschließlichinStädten
gefahrenwerden (City-Panzer), habendas »schneller, schwerer, stärker, teu-
rer« (Canzler/Knie 1994: 56) auf eineneueStufe gehoben.SUVsentsprechen
Baustelle Elektromobilität
Sozialwissenschaftliche Perspektiven auf die Transformation der (Auto-)Mobilität
- Title
- Baustelle Elektromobilität
- Subtitle
- Sozialwissenschaftliche Perspektiven auf die Transformation der (Auto-)Mobilität
- Author
- Achim Brunnengräber
- Editor
- Tobias Haas
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-5165-6
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 450
- Keywords
- Auto, Elektromobilität, Transformation, Rohstoffpolitik, Wertschöpfungsketten, Verkehrswende, Bewegung, Autonomes Fahren
- Category
- Technik