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AutomatisiertesundvernetztesFahrenals Zukunftsperspektive fürEuropa? 109
derautomatisierteVerkehrunterschiedlicheBedeutungenan.Keinuniversel-
les Label oder ein gesamtes ideologischesProgrammkanndieAutomatisie-
rungundVernetzungsomitumfassenderklären.Dieeuropäischefunktionale
Konzeptualisierung imSinnederWettbewerbsfähigkeitundEffizienzsteige-
rungwirdauf lokalerEbenedurchwegshinterfragt.
Die Kritik amautomatisierten und vernetztenVerkehr gründet oftmals
auf wachstumskritischen, kommunitaristischen beziehungsweise solidari-
schenPrinzipien.Wissen(2019:233)verweist imKontextderTransformation
vonMobilität auf eine von Karl Polanyi inspirierte Perspektive: Kapitalisti-
scheGesellschaftentendierendurchdieKommodifizierungvonArbeitskraft,
Natur und Geld immer wieder dazu, gesellschaftliche Gegenbewegungen
zugunsten einerDekommodifizierunghervorzurufen.VieleNationalstaaten
und vor allem auch Städte haben sich mit Möglichkeiten für bottom-up
Prozesse beschäftigt undLiving Labs,Citizen ScienceAnsätze oder Partizi-
pationsprozesse zum automatisierten und vernetzten Verkehr eingeleitet.
Vor allem die Konnektivität und der Ausbau der 5G Infrastruktur stoßen
häufig auf lokalenWiderstand. Zudemwird kritisiert, dass öffentlicheGel-
der anders investiert werden sollten, denn in der Stärkung des Fuß- und
Radverkehrs beziehungsweise des öffentlichen Verkehrs liege das meiste
Potenzial zur nachhaltigenVerkehrswende. EineVerkehrspolitik zumauto-
matisierten und vernetzten Fahren schaffe daher falsche Anreize und setze
die Prioritäten falsch– insbesondere,weil eine großeUnsicherheit darüber
besteht, ob die Automatisierung undVernetzung tatsächlich den gesamten
Energiebedarf sowie die Treibhausgasemissionen des Verkehrssektors sen-
kenkönnen.DieEinsparungspotenziale vonTreibhausgasemissionendurch
automatisierten und vernetztenVerkehr sind letztlich stark vom jeweiligen
Einsatzszenarioabhängig(Soteropoulosetal.2019;Krailetal.2019).ImZuge
dernotwendigenVerkehrswendewirdesdarumgehen,aktiveundöffentliche
beziehungsweisegeteilteMobilitätsformengrundsätzlichhöherzupriorisie-
renunddiePrivilegien (wieRaumanspruch,Kosten,Komfort) entsprechend
zuverteilen (Soteropoulosetal.2019: 162f.).DieDebattezurautomatisierten
undvernetztenMobilitätmussdemnach ihreTechnik-Fixierung,beiderdas
Objekt des Autos imMittelpunkt steht, aufgeben und das gesamteMobili-
tätssystemstärker indenBlicknehmen.Ebenfallskannnichtausgeschlossen
werden, dass das Verkehrssystemdes automatisierten und vernetzten Ver-
kehrs ein sehr elitäres bleiben und vorerst Personengruppen mit hohem
EinkommenVorteilegenießenkönnten.Auchdie räumlichenAuswirkungen
des automatisierten und vernetzten Fahrens können hochwidersprüchlich
Baustelle Elektromobilität
Sozialwissenschaftliche Perspektiven auf die Transformation der (Auto-)Mobilität
- Title
- Baustelle Elektromobilität
- Subtitle
- Sozialwissenschaftliche Perspektiven auf die Transformation der (Auto-)Mobilität
- Author
- Achim Brunnengräber
- Editor
- Tobias Haas
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-5165-6
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 450
- Keywords
- Auto, Elektromobilität, Transformation, Rohstoffpolitik, Wertschöpfungsketten, Verkehrswende, Bewegung, Autonomes Fahren
- Category
- Technik