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142 WeertCanzlerundAndreasKnie
DieStadtderModernesolltehellundvorallenDingenraumgreifendaus-
gestaltetseinundsichvondendichten,dunklenundoftkleinteiligenBebau-
ungenderAltstädteunterscheiden.Dafür brauchte sie ein flexiblesundalle
Elemente verbindendes Verkehrsmittel. Die Straßenbahnen, die U- und S-
BahnenerschieneninihrenStrukturenzustarr.Automobileversprachenda-
gegeneindynamischesundverbindendesVerkehrsmittel zu sein,demman
allerdingsdengebührendenRaumverschaffenmusste.AlteStadtanlagenwa-
ren Jahrhunderte vor dem Auto entstanden und boten daher wenig Platz.
Diesermusste dann zunächst gedanklich, dann planerisch und schließlich
auch real geschaffen werden. Pointiert brachte es der Schweizer Architekt
und Stadtplaner Le Corbusier auf den Punkt: »Wohin eilen die Automobi-
le? InsZentrum!EsgibtkeinebefahrbareFläche imZentrum.Manmusssie
schaffen.ManmussdasZentrumabreißen!« (LeCorbusier 1925: 101).
Das einflussreichste Dokument der Stadtplanung, das diese Gedanken
zusammenfasst, ist die inden 1930er Jahrenentwickelteund 1943 veröffent-
lichte»ChartavonAthen«.BisheutegeltendiehierentwickeltenGrundsätze
inMittel-undSüdamerikaundauch inweitenTeilenAsiensalsdieBibelder
Planungdes urbanenRaumes. InWest undOstwar diemoderne Stadtpla-
nungbis indie späten 1960er Jahre immeraufdasAutoalsdaszentraleVer-
kehrsmittel zugeschnitten.StädtewurdenprimäralsTransitzonengedacht,
damit die unterschiedlichenFunktionen »Arbeit«, »Wohnen«und »Freizeit«
angemessenmiteinander verbindbarwaren.DasAutowurdepraktischzum
»Narrativ derModerne«undverdichtete sich zugleich zumVersprechenauf
FreiheitaufindividuelleLebensführungmiteigenemHaus,GartenundKlein-
familie.Das Auto erlebte seinen Aufstieg daher nie nur als ein technisches
Gerät,eswarimmerderKerneinerganzenLebensphilosophie,einesVerspre-
chensaufeinselbstbestimmtesundkontrollierbaresLeben.Zwarwardieses
VersprechenzunächstnureinTraum,eineSehnsucht,eineIdee, illustriert in
vielenBildern,BüchernundFilmen.AbereshatteenormeStrahlkraft inviele
BranchenundSektorenhinein.
Die Zahl der angemeldetenKfz blieb nach demZweitenWeltkrieg den-
noch lange hinter den Erwartungen zurück. Zumalmittlerweile diese Zahl
innerhalb der Organisation for Economic Co-operation and Development
(OECD)alszentraler Indikator fürdieProsperitäteinerVolkswirtschaftgalt.
Je mehr Autos zugelassen waren, umso besser schien es der Gesellschaft
auchwirtschaftlich zu gehen. Der Grad derWohlstandsmessungwar also,
wievieleMenschensicheineigenesAuto leistenkonnten.Umhiernicht ins
Hintertreffen zu gelangen und umdas Autowirklich zu einemMassenver-
Baustelle Elektromobilität
Sozialwissenschaftliche Perspektiven auf die Transformation der (Auto-)Mobilität
- Title
- Baustelle Elektromobilität
- Subtitle
- Sozialwissenschaftliche Perspektiven auf die Transformation der (Auto-)Mobilität
- Author
- Achim Brunnengräber
- Editor
- Tobias Haas
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-5165-6
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 450
- Keywords
- Auto, Elektromobilität, Transformation, Rohstoffpolitik, Wertschöpfungsketten, Verkehrswende, Bewegung, Autonomes Fahren
- Category
- Technik