Page - 33 - in Berg- und Gletscher-Reisen in den österreichischen Hochalpen
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Ersteigung des Großglockners. ZZ
Die Schneide ist nämlich kaum einen Fuß breit, und so schmal sie
ist, so besteht sie doch an ihren Rändern noch zum Theile aus Eis,
das iiber die Felsennnterlage hinausragend jeden Augenblick durch
den Tritt gelöst von seiner Verbindung' auf die Gletscher hinabstürzen
kann, welche rechts und links in der Tiefe von einigen tausend Fuß
fast senkrecht unter der Scharte lagern. Sowie zur Ersteigung der
kleinen Spitze blos Gesundheit und Ausdauer, so ist zum Uebergange
über die Schneide zwischen den zwei Spitzen Schwinbelfreiheit und
Muth die unerläßliche Bedingung. Wehe dem, welchen auf dieser Stelle
ein Schwindel befallen würde, er wäre selbst mit dem Seile um den
Leib in höchst schwieriger Lage. Wer aber muchig und schwindelfrei
ist, wird durch das Seil, dessen Ende er in den Händen der starken
Führer weiß, vollends zuversichtlich gemacht, in ihrer Mitte die Scharte
bald überschritten und hierauf neu ermuthigt auch die geringe Erhe-
bung zur großeu Spitze bald erstiegen haben.
Ich war wahrhaft erstaunt, als ich nach Ueberschrcitung der
Scharte, gestählt durch die Gewißheit, daß das hohe Ziel nun so viel
als errungen fei, mit Liendl von der Scharte hinansteigend, schon in
wenig Minuten auf der zweiten höheren Spitze des Grußglockners
anlangte. Meine Uhr zeigte 6 Uhr und 45 Minuten, und somit hatten
wir im Ganzen von der Alpe auf die höchste Spitze 5 Stunden und
20 Minuten benöthigt.
Bald folgte Eder mit dem Wirthe. Diesem war, als er die
Scharte in der Nähe betrachtet hatte, Anfangs alle Lust vergangen,
aus Unterhaltung über sie zu gehen, Edel's Zureden bestimmte ihn
aber bald, uns doch zu folgen.
Nun wurde es auf dem Großglockner so lebhaft, als es dort
nur immer möglich ist.
Auch die große Spitze, welche nach meiner beiläufigen Beur-
theilung um 10 Klafter höher sein mag als die kleine, ist in der
Hauptsache wie diese gestaltet. Auch auf ihr steigt man von der östli-
chen Kante und zwar unmittelbar von der Scharte weg über Fels-
dnrchbrüche, dann auf dem gegen die Kalser Gletscher geneigten süd-
lichen Firnabhaug empor, imd auch ihr oberster Theil besteht aus
Nuthner, Berg- und Glitschenden, Z
Berg- und Gletscher-Reisen in den österreichischen Hochalpen
- Title
- Berg- und Gletscher-Reisen in den österreichischen Hochalpen
- Author
- Anton von Ruthner
- Publisher
- Carl Gerold's Sohn
- Location
- Wien
- Date
- 1864
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 11.8 x 19.2 cm
- Pages
- 440
- Keywords
- Alpen, Gebirge, Natur
- Categories
- Geographie, Land und Leute
- Geschichte Vor 1918