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Ersteigung des Ankogels bei Gastein. 231
gen Hilfe Pflaums, der uns sagen sollte, in welcher Richtung dem
Feinde am Besten beizukommen wäre.
Unser oft erwähnter Nucken, den wir nun bereits erstiegen haben,
tritt zum Zusammenstoße mit dem Ankogel etwas gegen Süden und
zwar mit einem sich über die Höhe der übrigen Schneide erhebenden
Kamme von Steinen zurück. Dieser Kamm, der wie die ganze
Schneide nördlich gegen die Schlucht des Anlaufthales und den An-
kogelgletscher, südlich aber gegen die Karnthnerischen Gletscher über dem
Seethale abfällt, hat Anfangs einige Breite. An welcher Stelle er am
Besten überschritten werde, um bald am Ankogel zu sein, dieß eben
mußte uns Pflaum sagen. Nachdem er bei uns eingetroffen und wir
seinen Rath «ernommeu, hieß ich ihn, weil ich ihm die Erschöpfung
ansah, mich hier auf dem Rücken, wohin jetzt auch allmälig die Sonne
vom Ankogel herabsticg, erwarten, Haidacher und ich dagegen brachen
zum Werke auf. ,
Die Höhe des gerade besprochenen Kammes war bald gewonnen
und mit ihr waren wir an den Ankogel selbst gelangt, von welchem
uns nur mehr die berüchtigte Stelle trennte, die den Zusammenstoß
des Rückens und des Bergfürstcn vervollkommnend als Brücke zu letz-
terem dient.
Nun folgte ein wahrhaft kritischer Augenblick. Als ich nicht sowohl
die schmale Schneide, denn solche Plätze scheue ich nicht, sondern die
Jähe sah, mit welcher sich der Ankogel zur Spitze erhebt, und wie der
Felsgrat, auf welchem wir uns zum Gipfel emporarbeiten mußten, oft
nur Einen Fuß breit aus den Gletschern emporrage, die rechts und
links unmittelbar an dieser schmalen Steinlehne ihren bei 2000—3000
Fuß hohen Abfall beginnen, wohl auch bei dem Gedanken, diesen ge-
fährlichen Stieg mit einem Führer wagen zu sollen, der ihn noch nie
gemacht, daher den Berg nicht besser kenne als ich — da zweifelte ich
in meinem Innern, ob solche Schwierigkeiten zu besiegen seien? In
demselben Augenblicke sprach Haidacher die Worte: „Da sollen wir
aufwärts, da kommen wir nicht hinauf." Diese Worte waren entschei-
dend. Ich sah ein, daß jetzt Alles auf mir beruhe, und daß ich schnell
handeln müsse. Hätte ich meine eigene Besorgniß laut weiden lassen,
Berg- und Gletscher-Reisen in den österreichischen Hochalpen
- Title
- Berg- und Gletscher-Reisen in den österreichischen Hochalpen
- Author
- Anton von Ruthner
- Publisher
- Carl Gerold's Sohn
- Location
- Wien
- Date
- 1864
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 11.8 x 19.2 cm
- Pages
- 440
- Keywords
- Alpen, Gebirge, Natur
- Categories
- Geographie, Land und Leute
- Geschichte Vor 1918