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2I2 Ersteigung des Ankogels bei Gastein.
sc> wäre Haidacher noch mehr entmuthigt worden, und mit muthlosm
Führern kann selbst ein kühnerer Bergsteiger als ich bin, nur schwer
ein gefährliches Ziel erreichen. Ich trat daher schweigend auf die
schmale Schneide und schritt rasch auf derselben vor, Haidacher folgte
gleichfalls schweigend, und bald waren die 10—12 Klafter, welche sie
an Länge haben mag, zurückgelegt. Ich glaube, daß der viele Schnee
dieses Jahres die Stelle heuer der Phantasie minder schauerlich er-
scheinen ließ als sonst, denn ich fand sie 1^ — 2 '^ Fuß breit. In
Wirtlichkeit aber war sie eben durch ihre größere Breite sehr gefähr-
lich, weil ein unvorsichtiger Tritt auf den südlichen Theil, der nur aus
cmgefrornem, über dem Kärnthuerischen Gletscher überhängenden Schnee
bestand, die Ablösung dieser hohlen Massen und sohin den Absturz mit
denselben in die ungeheure Tiefe nach sich gezogen hatte.
Jenseits angelangt, begannen wir sogleich auf dem erwähnten
Grate und zwar auf der südlichen Seite, nun schon auf dem Ankogel
selbst hinauzuklimmen. Da das Gestein, Gneiß nnd Glimmerschiefer,
letzterer häufig im Uelergauge zum Chloritschiefer, vielfach zerrissen ist,
so ging es oft leicht empör, bisweilen jedoch und zwar vorzüglich daun
sehr schwer, wenn man sich auf das einzige vorhandene, steil über
tieferen, liegende Felsstiick wie auf-eine hohe Stufe hinanschwingen
oder den Anfang des Gletschers in seiner starken Neigung betreten mußte.
Besouders hinderlich war mir hier mein Höhen-Barometer, das ich nie
eiucm Führer zu tragen überlasse, indciu ich weiß, daß es bei mir
mehr Rücksicht findet als bei Führern. Auch der Eindruck der ver-
dünnten Luft nöthigte uns öfters, wenn auch nur auf Augenblicke,
Halt zu machen. Da erblickte ich plötzlich kaum einige zwanzig Schritte
über mir auf dem Kamme eine Stange aus dem Schuee emporragen.
Dies, der Ueberrest des bei der Landesvermessung hier errichteten Sig-
nales, zeigte mir die Nahe der Spitze an. Ich eilte daher so viel es
möglich war aufwärts, und betrat, nachdem ich von der Stange weg
nur noch eine sanfte Erhebung des hier ganz mit Schnee bedeckten
Kamines hinangestiegen war, einige Minuten nach '^ 8 Uhr glücklich
die höchste Spitze.
Berg- und Gletscher-Reisen in den österreichischen Hochalpen
- Title
- Berg- und Gletscher-Reisen in den österreichischen Hochalpen
- Author
- Anton von Ruthner
- Publisher
- Carl Gerold's Sohn
- Location
- Wien
- Date
- 1864
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 11.8 x 19.2 cm
- Pages
- 440
- Keywords
- Alpen, Gebirge, Natur
- Categories
- Geographie, Land und Leute
- Geschichte Vor 1918