Page - 237 - in Berg- und Gletscher-Reisen in den österreichischen Hochalpen
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Ersteigung bes Ankogels bei Gastein. 237
menschliche Wohnung, Hofgastcin, gewahrt. Es scheint, als solle durch
diesen Anblick auf die unwiderlegbarste, fiir Jeden überzeugende Art
der Beweis geführt werden, daß die Erde auch ohne das, was die
Menschen zu ihrer Verschönerung gethan, uns zur Bewunderung hin-
znreiszen vermöge.
Durch die Betrachtung dessen, was mir in diesem Anblicke
geboten, in Anspruch genommen, hatte ich Anfangs den Sturm weniger
beachtet. Nach und nach aber wurde er mir, der ich ohne Mantel
war, welchen ich bei Pflaum gelassen hatte, sehr empfindlich. Von
seiner Stärke mag der Umstand eine Vorstellung geben, daß von
meinen mitgenommenen Thermometern, ungeachtet sie an der Sonne
aufgehängt waren, das in der Richtung des Windes angebrachte nur
->- ' / / N., das gegen den Wind geschützte ->-I bis - ^ I ' / ^ ^. zeigte.
Ich dachte daher, als ich eine halbe Stunde auf der Spitze
verweilt, daran sie zu verlassen. Doch wollte ich noch früher eine
Frage, die mich schon lange interessirte, auf eine, mindestens fiir mich
entscheidende, Weise losen: nämlich die der Sichtbarkeit des adria-
tischen Meeres von der Tauernkette.
Kaum habe ich je über einen Gegenstand sich widersprechendere
Erklärungen vernommen. Von den Ersteigern des Großglockners hat
Schuttes nach seiner Angabe das Meer von dieser Kuppe nicht gesehen;
allerdings aber behauptet dies Vierthaler, und er steht, wie ich bei
der Durchlesung des Glockuerbuches zu Heiligenblut ersah, mit dieser
Behauptung nicht vereinzelt da.
Daß man die Fluthen der Adria vom Großvenediger schaue,
ist bisher eine bloße Sage,
Dagegen hat mich ein Norddeutscher, der den Ankogel vor etwa
16 Jahren erstiegen, persönlich versichert, den Meeresspiegel während
seines zwei bis drei Stunden langen Verweilens auf dem Berge am
schönsten Tage der Welt deutlich und unzweifelhaft gesehen und wieder-
gesehen zu haben; während mir eine zur Entscheidung der Frage höchst
competeutc Autorität, welche ebenfalls bei günstigem Wetter auf dem
Ankogel gewesen, entschieden erklärte, auch keine Spur des Meere«
erblickt zu habeu. Wirklich konnte auch ich diesmal, ungeachtet der
Berg- und Gletscher-Reisen in den österreichischen Hochalpen
- Title
- Berg- und Gletscher-Reisen in den österreichischen Hochalpen
- Author
- Anton von Ruthner
- Publisher
- Carl Gerold's Sohn
- Location
- Wien
- Date
- 1864
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 11.8 x 19.2 cm
- Pages
- 440
- Keywords
- Alpen, Gebirge, Natur
- Categories
- Geographie, Land und Leute
- Geschichte Vor 1918