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Ein Streifzug dies« und jenseits der Tauein. 353
haus folgt, dann wieder auf die Erhebung in das Windbachthal die
längere Wanderung in diesem Thalc, welche so allmälich aufwärts
führt, daß man vom obern, sicher schon 7000 Fuß hohen, Thalboden
zum Thörl höchstens noch 1500 bis 1800 Fuß hinanzusteigen hat.
Auf der Scharte war es hente sonnig und windstill, und wir
betrachteten uns mit Muße den interessanten Punkt, der ganz mit Recht
eine Scharte genannt wird, weil er ein gar schmaler Durchbruch in
den Felswänden ist. Der unebene Felsboden zwischen den beiderseiti-
gen Felsenklippen hat kaum einige Fuß im Gevierte und fallt gegen
Tirol eben so steil ab als gegen Salzburg. Zwei Crucifixe bezeich-
nen die Grenzen dieser beiden Länder, und zwar das auf der
Ostfeite von Salzburg, das an der westlichen Felswand angelehnte
von Tirol.
Wir setzten uns auf der Tiroler Seite nieder und besahen uns
den uns neuen, freilich kleinen Ausschnitt Welt, der sich hier zeigte.
Unter uns lag zunächst die tiefe Furche des obersten Ähren»
thales im Prettau. Es entspringt östlich von der Kriuuuler Tauern-
scharte an dem Tüdwestabhange der Venedigcrgruppe, in jenem Winkel,
iiber den wir aus weitgedehnten Eismassen den Dreiherrnspitz und höher
als ihn die Venedigerspitzen selbst aufragen sehen. Westlich dämmen
es minder bedeutende Berge, östlich jedoch die mächtigen Spitzen zwischen
dem Uhren» und llmbalthale, großentheils begletschert, und ein Ein-
schnitt in ihnen, scheinbar dem Thorl fast gegenüber bezeichnet den
Lauf des Windthalcs, aus welchem Gletschersteige nach Umbal führen.
Während wir noch die Aussicht besahen, kam ein Mann zu uns
herauf, den wir schon früher einige hundert Schritte unter dem Thörl
angetroffen hatten, der aber schwer bepackt, bald hinter uns zurückge-
blieben war. Unser Führer sagte uns, er sei aus Käsern, dem ersten
Dorfe in Tirol unter dem Joche. Wir hofften von ihm die Namen
einiger Herzspitzen zu erfahren, doch kannte er nur den Dreiherrnspitz,
welchen er volksthlimlicher den Dreiländerer nannte, und half sich zuletzt
gegen weitere Fragen mit der Bemerkung: alle die Berge hießen zusammen
die Sonnseite. Da man in Tirol mit der Svnnseite jede gegen Sü-
den gelegene Bergreihe bezeichnet, so erinnerte nn'ch diese, zudem noch
Nuthncr, Verg« «nd Gletlcheireise». 2g
Berg- und Gletscher-Reisen in den österreichischen Hochalpen
- Title
- Berg- und Gletscher-Reisen in den österreichischen Hochalpen
- Author
- Anton von Ruthner
- Publisher
- Carl Gerold's Sohn
- Location
- Wien
- Date
- 1864
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 11.8 x 19.2 cm
- Pages
- 440
- Keywords
- Alpen, Gebirge, Natur
- Categories
- Geographie, Land und Leute
- Geschichte Vor 1918