Page - 106 - in Berg- und Gletscherfahrten in den Alpen in den Jahren 1860 bis 1869

106 Uebernachtung im Kuhstall, Möglichstes, uns den Aufenthalt behaglich zu machen. Sie brachten ihre kleinen Vorräthe einfachster Nahrung herbei, und als wir mit ihnen um den großen kupfernen Kessel saßen, der über dem Feuer hing, baten sie uns mit rauhen Stimmen, aber in bester Absicht, uns vor den Gefahren der verwünschten Klippen zu hüten. Als die Nacht anbrach, sahen wir Johann Anton Carrel und seinen Gefährten den Berg hincmfschlcichen. „Aha," sagte ich, „Ihr be- reut." „Durchaus nicht, Sie irren sich." „Weshalb kommt Ihr da hierher?" „Weil wir morgen selbst auf den Berg gehen." „Dann ist es also nicht nöthig, zu mehr als zu dreien zu sein," „Für uns nicht." Ich bewunderte ihre Schlauheit und hatte große Lust, das Paar anzuwerben, stand indessen davon ab. Der zweite Mann war I. I. Carrel, der Herrn Hawkins begleitet hatte und mit dem anderen Führer nahe verwandt war. Beide waren kühne Aelpler, aber Johann Anton war ohne Vergleich der beste und der sicherste Bergsteiger, den ich je gesehen habe. Er war der Einzige, der sich niemals für geschlagen er- klärte, und trotz aller Entmuthigungen bei dem Glauben blieb, daß der große Berg nicht unersteiglich sei und von der Seite seines heimathlichen Thales besiegt werden könne. Die Nacht verging ohne weitere Störung, als daß eine Ge- sellschaft von Flöhen auf meiner Backe einen Fandango tanzte. Bei Tagesanbruch krochen die beiden Carrels geräuschlos aus dem Heu und gingen fort. Wir standen kurz vor sieben Uhr auf, ließen alle unsere Sachen im Kuhstall zurück, folgten den Beiden gemäch- lich, schlenderten über die mit Enzian bewachsenen Hänge, die nach dem Glacier du Lion hin liegen, ließen die Kühe und Weiden hinter uns, überschritten die Felswüsten und kamen beim Eise an. An seinem Rande zur Rechten (links von uns) lagen Betten von altem, hartem Schnee, über die wir mit Leichtigkeit auf den unteren Theil