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12 | Karin Almasy & Eva Tropper
Die Habsburger Monarchie hatte eine Reihe von mehrsprachigen Gebieten
vorzuweisen, wobei sich jene der österreichischen Reichshälfte durch Textzeug-
nisse wie Postkarten eher zur Beforschung anbieten als jene der ungarischen
Reichshälfte – was auch der Schwerpunktsetzung des vorliegenden Bandes ent-
spricht. In der österreichischen Reichshälfte (Zisleithanien) war die Mehrspra-
chigkeit nämlich gesetzlich abgesichert und konnte demnach leichter zum Aus-
druck kommen als in der ungarischen Reichshälfte (Transleithanien), wo spätes-
tens seit 1867 durch einen starken Magyarisierungsdruck versucht wurde, die an-
deren Sprachen in die Unsichtbarkeit abzudrängen und eine Homogenisierung zu-
gunsten des Ungarischen zu erreichen. Als slowenisch-deutschsprachig gemischte
Gebiete sind neben der Untersteiermark/Spodnja Štajerska sowohl Kärnten als
auch Krain sowie für slowenisch-italienisch-kroatisch gemischte Gegenden das
Küstenland und für die kroatische und italienische Sprache ebenso Istrien und Dal-
matien zu nennen. Das Land Tirol bot mit seiner deutsch-, italienisch- sowie ladi-
nischsprachigen Bevölkerung eine ebenso interessante Konstellation. Böhmen
und Mähren waren durch das Zusammenleben deutsch- und tschechischsprachiger
Bewohner geprägt. Auch ganz im Osten der österreichischen Reichshälfte, in Ga-
lizien und in der Bukowina, lebten Bevölkerungsgruppen polnischer, ruthenischer,
rumänischer, deutscher und jiddischer Sprache miteinander. Neben diesen größe-
ren mehrsprachigen Regionen in der Habsburger Monarchie wiesen auch die meis-
ten größeren Städte durch ihre Rolle als (lokale) Zentren von Verwaltung, höherer
Bildung und Militär eine sprachliche Gemengelage auf.
In all diesen gemischtsprachigen Gebieten der österreichischen Reichshälfte
kam um die Jahrhundertwende das Zusammenleben der Sprachen auch auf dem
alltagsnahen Medium Postkarte zur Geltung. Doch auch konflikthafte sprachliche
Konstellationen zeigen sich in diesem Quellenmaterial, zumal sich innerhalb der
mehrsprachigen Habsburger Monarchie die Konzepte Nation und nationale Zuge-
hörigkeit auf Grundlage des Sprachgebrauchs etwa ab den 1860er Jahren immer
stärker etabliert hatten.7 Die nationale Vereinnahmung von Sprache auf
Postkarten ist gerade in mehrsprachigen Gebieten ein brisantes Thema und zeigt
7 Vgl. zur Bedeutung der Sprache in den Nationalbewegungen allgemein: Miroslav
Hroch, Das Europa der Nationen: die moderne Nationsbildung im Vergleich, Göttingen
2005, S. 178-200; für den böhmischen Kontext: Jeremy King, Budweisers into Czechs
and Germans. A local history of Bohemian politics, 1848–1948, Princeton 2002; für
den untersteirischen Kontext: Janez Cvirn, „Das Festungsdreieck“. Zur politischen Ori-
entierung der Deutschen in der Untersteiermark (1861–1914), Wien 2016; für ein städ-
tisches Beispiel, vgl. Karin Almasy, Wie aus Marburgern „Slowenen“ und „Deutsche“
wurden. Ein Beispiel zur beginnenden nationalen Differenzierung in Zentraleuropa
zwischen 1848 und 1861, Graz 2014.
Bildspuren – Sprachspuren
Postkarten als Quellen zur Mehrsprachigkeit in der späten Habsburger Monarchie
- Title
- Bildspuren – Sprachspuren
- Subtitle
- Postkarten als Quellen zur Mehrsprachigkeit in der späten Habsburger Monarchie
- Authors
- Karin Almasy
- Heinrich Pfandl
- Editor
- Eva Tropper
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4998-1
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 346
- Keywords
- Postkarte, Mehrsprachigkeit, Habsburger Monarchie, Alltagsgeschichte, Kurznachrichtenträger, Alltagskommunikation, Fotografie, Untersteiermark, Mikrogeschichte, Eisenbahn, Tourismus
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen