Page - 14 - in Bildspuren – Sprachspuren - Postkarten als Quellen zur Mehrsprachigkeit in der späten Habsburger Monarchie
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14 | Karin Almasy & Eva Tropper
Aufdrucke auf Postkarten sichtbar wurden, welche Bilder mit welchen sprachli-
chen Rahmungen in Umlauf kamen, ist dabei immer mit ökonomischen wie sym-
bolischen Möglichkeiten der gesellschaftlichen Repräsentation und Teilhabe ver-
knüpft.10 Das Verhältnis der Sprachen kann sich durch ein Neben- und Miteinan-
der, durch Asymmetrie und Dominanz, durch spezifische, räumlich variierende
Verteilungsmuster auszeichnen – wenn etwa rurale Räume stärker von der einen,
urbane Räume stärker von der anderen Sprache bestimmt werden. An Postkarten
kann so auch der Emanzipationsprozess der kleineren, nicht-dominanten Sprachen
in Zisleithanien sichtbar gemacht werden, die sich auf diesem Medium nach und
nach immer mehr Geltung verschafften. Methodisch gilt, dass Ansätze, die sich
mit gedruckter Sprache auf Postkarten auseinandersetzen, selten bei einzelnen
Exemplaren stehen bleiben können, sondern die Sortimente von Verlagen, die
Häufung sprachlicher Phänomene nach Regionen oder anderen Kriterien in den
Blick nehmen müssen.
Die Ebene handschriftlicher Mitteilungen öffnet hingegen einen Blick auf den
spezifischen Gebrauch und die individuellen Aneignungen von Postkarten. Dabei
lässt sich methodisch sowohl darauf fokussieren, welchen Umgang die Bewohne-
rinnen und Bewohner (oder Besucherinnen und Besucher) einer mehrsprachigen
Region mit diesem – mehrsprachigen – Kommunikationsmedium fanden; welche
Karten (und daher welche Sprachen) sie auswählten; ob diese Ebene von ihnen
bewusst wahrgenommen, kommentiert oder im Gegenteil für nicht so wichtig er-
achtet wurde. Der mögliche Vergleich zwischen Drucktexten und individuellen
Aneignungen erlaubt hier, Fragen nach sprachlich-nationalen Identifizierungen
und national ‚flexiblen‘ oder indifferenten Nutzungsweisen zu stellen.
Zudem stellen Mitteilungstexte auf Postkarten ein reichhaltiges Material für
die Beforschung der konkreten Sprachpraktiken in mehrsprachigen Gesellschaften
dar. Als ein ausgesprochen niederschwelliges Medium wurden Postkarten von
breiten Teilen der Bevölkerung genutzt und zeigen daher ein weites Spektrum von
Sprachkompetenz und Sprachnutzung. An Postkarten können sowohl Fragen mi-
lieuspezifischer Schreibweisen als auch Fragen nach Sprachkontakt, Code-Swit-
ching und individueller Mehrsprachigkeit gestellt werden. Nicht zuletzt erlauben
10 Vgl. dazu insbesondere die im Beitrag von Eva Tropper in diesem Band diskutierte
Linguistic-Landscape-Debatte: Rodrique Landry, Richard Y. Bourhis, „Linguistic
Landscape and Ethnolinguistic Vitality. An Empirical Study“, Journal of Language and
Social Psychology, 16 (1997), S. 23-49; Luk Van Mensel, Mieke Vandenbroucke, Rob-
ert Blackwood, “Lingusitic Landscapes”, in: O. García, N. Flores, M. Spotti (Hg.), Ox-
ford Handbook of language and society, Oxford 2016, S. 423-449.
Bildspuren – Sprachspuren
Postkarten als Quellen zur Mehrsprachigkeit in der späten Habsburger Monarchie
- Title
- Bildspuren – Sprachspuren
- Subtitle
- Postkarten als Quellen zur Mehrsprachigkeit in der späten Habsburger Monarchie
- Authors
- Karin Almasy
- Heinrich Pfandl
- Editor
- Eva Tropper
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4998-1
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 346
- Keywords
- Postkarte, Mehrsprachigkeit, Habsburger Monarchie, Alltagsgeschichte, Kurznachrichtenträger, Alltagskommunikation, Fotografie, Untersteiermark, Mikrogeschichte, Eisenbahn, Tourismus
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen