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138 | Heinrich Pfandl
Laibach, slow. Ljubljana, in der Frühzeit der Postkarten noch eine Kleinstadt und
die Hauptstadt Krains (lat. Carniola, slow. Kranjska, eine Bezeichnung, die wie-
derum durch die frühere slaw. Form Krajina ‚Randgebiet‘ gestützt wurde) ver-
zeichnete im Jahr 1880 24.8243 mehrheitlich slowenischsprachige Einwohner.4
Lemberg, polnisch Lwów und ruthenisch bzw. heute ukrainisch L’viv, war 1772
zu den Habsburger Ländern gekommen und die Hauptstadt des „Königreichs Ga-
lizien und Lodomerien“. Mit im Jahre 1880 bereits 107.734, mehrheitlich pol-
nischsprachigen Einwohnern war Lemberg eine der größten Städte Zisleithaniens
und der Donaumonarchie überhaupt. Czernowitz, rumänisch Cernăuți und ru-
thenisch bzw. heute ukrainisch Černivci, hingegen war ab 1774 Teil des oben ge-
nannten Königreichs Galizien und Lodomerien, wurde 1849 zur Hauptstadt der
Bukowina und hatte 1880 44.600 mehrheitlich deutschsprachige Einwohner.5 Ob-
wohl wir uns im Folgenden mit dem Bild dieser drei Städte in den Jahren 1895–
1918 anhand der uns bekannten erhaltenen Postkarten beschäftigen, möchte ich
aber dennoch zuvor noch einen kurzen Blick auf die Zeit danach werfen: Alle drei
Städte fanden sich nach dem Ende der Donaumonarchie, wie oben bereits erwähnt,
in neuen Nationalstaaten wieder: Laibach als Ljubljana im SHS-Staat, dem späte-
ren Jugoslawien, Lemberg als Lwów im nach 130 Jahren wieder entstandenen Po-
len, und Czernowitz als Cernăuți in Rumänien. Allen drei Städten war gemein,
dass sie sich in Staaten zurecht finden mussten, deren dominante Sprache nicht
die Sprache der schon angesprochenen agrarischen Umlandbevölkerung war:
Ljubljana mit seinem slowenischsprachigen Umland wurde vom serbischen Bel-
grad aus regiert, Lwów mit seinem ruthenisch- bzw. ukrainischsprachigen Umfeld
vom polnischen Warschau aus, und das vielsprachige Cernăuți unterstand auf ein-
mal dem rumänischen Bukarest. Die Frage, die es in diesem Aufsatz zu beantwor-
ten gilt, lautet also: Ist es möglich, anhand von Postkarten des Zeitraums 1895-
1918 einen ungefähren Befund über die sprachliche Situation in den genannten
Städten zu erstellen, wenn man davon ausgeht, dass Laibach in den beiden Jahr-
3 Statistische Angaben zu den Angaben der Umgangssprache nebst Quellenverweisen er-
folgen in den Kapiteln zu den einzelnen Städten, s.u.
4 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird im Folgenden auf die gleichzeitige Verwen-
dung weiblicher und männlicher Sprachformen verzichtet und das generische Maskuli-
num verwendet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für beide Ge-
schlechter.
5 Aus der reichen Literatur zu Czernowitz vgl. u.a. Harald Heppner (Hg.), Czernowitz.
Die Geschichte einer ungewöhnlichen Stadt, Köln-Weimar-Wien 2000; Mythos
Czernowitz. Eine Stadt im Spiegel ihrer Nationalitäten, Potsdam 2008; sowie Peter
Rychlo (Hg.), Czernowitz, Klagenfurt/Celovec 2004 (= Europa erlesen).
Bildspuren – Sprachspuren
Postkarten als Quellen zur Mehrsprachigkeit in der späten Habsburger Monarchie
- Title
- Bildspuren – Sprachspuren
- Subtitle
- Postkarten als Quellen zur Mehrsprachigkeit in der späten Habsburger Monarchie
- Authors
- Karin Almasy
- Heinrich Pfandl
- Editor
- Eva Tropper
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4998-1
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 346
- Keywords
- Postkarte, Mehrsprachigkeit, Habsburger Monarchie, Alltagsgeschichte, Kurznachrichtenträger, Alltagskommunikation, Fotografie, Untersteiermark, Mikrogeschichte, Eisenbahn, Tourismus
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen