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Laibach, Lemberg, Czernowitz | 159
Gedruckt wurde die Karte von Dawid Grund in Lemberg, mit einem Vermerk in
polnischer Sprache ‚Genehmigt durch die Militärzensur‘, abgesandt mit russi-
schem Poststempel aus dem Grenzort und Eisenbahnknotenpunkt Wolot-
schysk/Voločys’k mit Destination Petrograd. Im russisch verfassten Mitteilungs-
text schreibt ein Armeeangehöriger seinem in Petrograd stationierten Neffen, der
in der Armeeverwaltung tätig ist, dass er bald nach Kiev abkommandiert würde,
und von dort aus, da ja noch Granaten vorhanden seien, wieder zurück zum ‚The-
ater des Krieges fahren‘ werde müssen („придется уехать на театръ войны“).
Die Karte eröffnet so den Blickwinkel eines Besatzers, welcher sich, wie aus der
Karte hervorgeht, im ‚wunderbaren Galizien, wo mir alles gefällt‘ und ‚in dem
schon fast Sommer ist‘, äußerst wohl fühlte.
Der Befund über eine nur geringe Anzahl ruthenischer Aufdrucktexte auf Kar-
ten der Stadt Lwów/Lemberg/L‘viv erscheint damit auch nun, am Ende unseres
Streifzugs, noch aufrecht. Etwas häufiger liest man hingegen Individualtexte in
ruthenischer Sprache auf Lemberger Karten35, allerdings sind diese bei weitem
nicht so regelmäßig zu finden wie auf Karten aus galizischen Orten wie Kolo-
myja/Kolomea, Brody oder Drohobyč/Drohobitsch.36 Aber auch auf diesen ist
eine eindeutige polnische Dominanz festzustellen.
CZERNOWITZ, KAUM CERNĂUȚI, NIE ČERNIVCI
Der Befund der für Czernowitz37 untersuchten Postkarten ist quantitativ am leich-
testen zu beschreiben – bis auf wenige Ausnahmen handelt es sich bei den Karten,
die eindeutig auf die Zeit vor dem Zerfall der Monarchie datiert werden können,
um rein deutsch beschriftete Karten. So zeigen sämtliche 133 (leider nur mit der
35 Im zitierten Katalog (Kotlobulatowa, Lwów) weisen von den vor 1905 gelaufenen ca.
150 Karten (als die Mitteilungen auf die Bildseite geschrieben werden mussten) ledig-
lich eine Handvoll ruthenische Mitteilungstexte auf.
36 Eine davon publiziert in Heinrich Pfandl, „‚Aus Lemberg in die Steiermark‘: Was uns
Postkarten aus Galizien und der Bukowina über die letzten Jahrzehnte der Donaumo-
narchie mitteilen können“, in: Lopuschanskyj/Radchenko (Hg.), Komparatistische For-
schungen, S. 261-272, hier S. 271.
37 Wie schon eingangs argumentiert, wird auch Czernowitz in diesem Beitrag nur mit sei-
nem damals offiziellen deutschen Namen bezeichnet; die anderssprachigen Alternati-
ven lauten ruthenisch Чернiвцi (Černivci), russ. Черновцы (Černovcy), rumän.
Cernăuți.
Bildspuren – Sprachspuren
Postkarten als Quellen zur Mehrsprachigkeit in der späten Habsburger Monarchie
- Title
- Bildspuren – Sprachspuren
- Subtitle
- Postkarten als Quellen zur Mehrsprachigkeit in der späten Habsburger Monarchie
- Authors
- Karin Almasy
- Heinrich Pfandl
- Editor
- Eva Tropper
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4998-1
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 346
- Keywords
- Postkarte, Mehrsprachigkeit, Habsburger Monarchie, Alltagsgeschichte, Kurznachrichtenträger, Alltagskommunikation, Fotografie, Untersteiermark, Mikrogeschichte, Eisenbahn, Tourismus
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen