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Tradition in der Steiermark | 223
in den deutschsprachigen Gegenden14 sei auch hier die Überkleidung aus Loden
gefertigt und mit grünem Besatz geziert. Über dem Kopftuch trügen die Frauen in
den an Kärnten grenzenden Gebieten zusätzlich Hüte. Von den Slovenske Go-
rice/Windischen Büheln bis Središče ob Dravi/Polstrau sei die Kleidung aus Lei-
nen gemacht, die Männer trügen Hosen und lange Hemden, mit einem roten Gürtel
und roter Weste, darüber würde ein blauer Mantel oder ein schwarzer Pelz getra-
gen. Die Frauen trügen häufig weiße Kopftücher mit bestickten Rändern. Um
Rogatec/Rohitsch trugen die Frauen in einem nicht näher definierten „schon frü-
her“ großgeblümte Röcke.15 Hubad streicht in seinem Abschnitt besonders die den
klimatischen Gegebenheiten geschuldeten Gemeinsamkeiten in der Bekleidung,
unabhängig von der gesprochenen Sprache, hervor.
Trotz der bereits in der Konzeption des Bandes zur Steiermark im Kronprin-
zenwerk vorgenommenen Teilung nach sprachlichen Gesichtspunkten mit dem
Ziel, Unterschiede herauszustreichen,16 fällt in der Beobachtung und Beschrei-
bung der Kleidung auf, dass die Besonderheiten sich zum Großteil auf klimati-
sche, nicht auf sprachliche, und damit implizit ethnische Charakteristika zurück-
führen lassen, d. h. in den gebirgigen Regionen tendenziell mehr Wolle als Leinen
und umgekehrt in den milderen Gegenden mehr Leinen als Wolle getragen wurde.
Das Tragen von Jagdkleidung wie Lederhosen, Jankern und ‚Steirerhüten‘
speziell in der Obersteiermark ist mitbestimmt durch diesbezügliche Gepflogen-
heiten des Kaiserhauses17, zumindest ab den 1840ern, und damit indirekt Folge
von Erzherzog Johanns Bemühungen, das ‚Ursprüngliche‘ zu konservieren.18 Da-
bei war die aristokratische Inszenierung von Tracht in Europa im 19. Jahrhundert
nicht selten19 und besaß auch in Deutschland eine lange Tradition, möglicherweise
14 Hubad, „Volksleben, Sitten und Sagen der Slovenen“, S. 211–212.
15 ebda, S. 213.
16 Die vielfältigen, nicht selten fruchtlosen, Versuche, Deutschsprachige und Slowenisch-
sprachige zu Bekenntnissen zu den beiden nationalistischen Lagern zu bewegen, sind
ausführlich dargestellt bei Pieter Judson, Guardians of the Nation. Activists on the Lan-
guage Frontiers of Imperial Austria, Cambridge, MA - London 2006.
17 Interessanterweise erscheinen Abbildungen von Kaiser Franz Josef I in Jagdkleidung
auf Postkarten der Untersteiermark/Spodnja Štajerska manchmal mit deutschnational
konnotierten Codes wie etwa Eichenlaub (vgl. https://gams.uni-graz.at/o:polos.863,
https://gams.uni-graz.at/o:polos.995 und https://gams.uni-graz.at/o:polos.4050). Alle
drei sind nach 1908 gelaufen, alle drei tragen deutsche Texte.
18 Mautner/Geramb, Steirisches Trachtenbuch, S. 564.
19 Etwa die „griechische Tracht“ von Königin Amalie von Griechenland, siehe: Nadia
Macha, Amalia Dress: „The Invention of a New Costume Tradition in the Service of
Greek National Identity“, in: Catwalk: The Journal of Fashion, Beauty and Style 2012,
Bildspuren – Sprachspuren
Postkarten als Quellen zur Mehrsprachigkeit in der späten Habsburger Monarchie
- Title
- Bildspuren – Sprachspuren
- Subtitle
- Postkarten als Quellen zur Mehrsprachigkeit in der späten Habsburger Monarchie
- Authors
- Karin Almasy
- Heinrich Pfandl
- Editor
- Eva Tropper
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4998-1
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 346
- Keywords
- Postkarte, Mehrsprachigkeit, Habsburger Monarchie, Alltagsgeschichte, Kurznachrichtenträger, Alltagskommunikation, Fotografie, Untersteiermark, Mikrogeschichte, Eisenbahn, Tourismus
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen