Page - 255 - in Bildspuren – Sprachspuren - Postkarten als Quellen zur Mehrsprachigkeit in der späten Habsburger Monarchie
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Motiv Stadt, Motiv Mensch | 255
Verlegern rahmende Darstellungen von Jungen und Mädchen in Trachten, gesel-
ligen Runden, Kindern, allegorischen Helden und sogar Engeln hinzugefügt, die
das jeweilige Bild in einen breiteren Kontext stellen sollen. Solche Rahmungen
hatten das Ziel, idyllische Szenerien, Schönheit oder nationale Zugehörigkeit zu
imaginieren – um die emotionale Aufladung der Postkarte zu betonen, um Zuge-
hörigkeitsgefühle zu wecken. Doch an wen richtete sich diese Aufforderung? An
den Sender, den Empfänger, den zufälligen Betrachter der Postkarte? Vielleicht
sogar an uns, die wir die alten Aufnahmen ein Jahrhundert später betrachten? Bei
uns erregen sie mit hundertjährigem zeitlichem Abstand eher Anstoß, Spott oder
Widerwillen gegenüber der Überhöhung dieses oder jenes Elements in einem
Kontext, der sich seitdem – sowohl physisch als auch mental – deutlich geändert
hat.
FOTOGRAF UND VERLEGER ALS AKTEURE
Bei der Entstehung einer Postkarte wirkten mehrere Akteure zusammen. Einer-
seits der Fotograf, der auf der Straße, einem Platz, Hügel oder in sonst einem Au-
ßen-, seltener auch mal in einem Innenraum, eine Fotoaufnahme anfertigt, die er
dann dem Auftraggeber übermittelt, welcher die Ausarbeitung weiterführt.23 In
der Druckerei wurde sie in einer der zur Verfügung stehenden Drucktechniken in
entsprechender Auflage ausgearbeitet. Dafür wurde die Aufnahme bearbeitet, re-
tuschiert beziehungsweise ihre Bildkonturen entsprechend nachgezogen; alles
Praktiken, die zur selbstverständlichen Vorgangsweise gehörten, um eine Auf-
nahme für den Druck tauglich zu machen. Dann bietet sie der Verleger zum Kauf
an. Ist er selbst ein Papier- oder Buchwarenhändler, was nicht selten war, kann er
sie im eigenen Geschäftslokal verkaufen, kann sie aber auch anderen zum Kauf
anbieten – Papierwarenhändlern, Trafikanten, Gasthausbesitzern, Postbeamten,
dem Bahnhof und anderen Verkaufsstellen.
Der hier beschriebene Weg ist natürlich nur der physische Produktionsweg
einer Postkarte als Verkaufsartikel, die später in den Händen der Käufer, Sender,
Empfänger, Sammler und manchmal sogar später eines Wissenschafters landet.
Doch dieser Prozess beginnt bereits früher – mit der Entscheidung des Verlegers,
23 Zu den unterschiedlichen Akteuren, die an einem solchen Produktionsprozess betei-
ligt waren, vgl.: Michael Ponstingl, „Medienökonomische Betrachtungen zur Foto-
grafie im 19. Jahrhundert“, in: Herbert Justnik (Hg.), Gestellt. Fotografie als Werk-
zeug in der Habsburgermonarchie, Ausstellungskatalog (Österreichisches Museum
für Volkskunde), Wien 2014, S. 31-50.
Bildspuren – Sprachspuren
Postkarten als Quellen zur Mehrsprachigkeit in der späten Habsburger Monarchie
- Title
- Bildspuren – Sprachspuren
- Subtitle
- Postkarten als Quellen zur Mehrsprachigkeit in der späten Habsburger Monarchie
- Authors
- Karin Almasy
- Heinrich Pfandl
- Editor
- Eva Tropper
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4998-1
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 346
- Keywords
- Postkarte, Mehrsprachigkeit, Habsburger Monarchie, Alltagsgeschichte, Kurznachrichtenträger, Alltagskommunikation, Fotografie, Untersteiermark, Mikrogeschichte, Eisenbahn, Tourismus
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen