Page - 271 - in Bildspuren – Sprachspuren - Postkarten als Quellen zur Mehrsprachigkeit in der späten Habsburger Monarchie
Image of the Page - 271 -
Text of the Page - 271 -
Multiethnische Mobilisierung | 271
Da das staatliche Versorgungssystem den Millionen von mobilisierten Solda-
ten und ihren Angehörigen bzw. Hinterbliebenen nur eine unzureichende finanzi-
elle Absicherung bot,8 bildeten sich unmittelbar zu Kriegsbeginn allerorten Initi-
ativen zu deren Unterstützung. Für die österreichische Reichshälfte – im Folgen-
den der Einfachheit halber auch Österreich genannt – wurden umgehend zwei
neue Stellen – das Kriegsfürsorgeamt im k. u. k. Kriegsministerium und das
Kriegshilfsbüro im k. k. Ministerium des Innern – gegründet, die zusammen mit
der Österreichischen Gesellschaft vom Roten Kreuze als gemeinschaftliche „offi-
zielle Kriegsfürsorge“ firmierten. Ihr Wirkungskreis blieb im Wesentlichen9 auf
Österreich beschränkt, da Ungarn ein eigenes Kriegsfürsorgeamt ins Leben rief.
Ihrem Anspruch, sämtliche derartige karitative Aktivitäten unter diesem Dach zu
vereinen – und somit unter staatlicher Kontrolle zu halten – konnte die offizielle
Kriegsfürsorge nie gerecht werden. Der Bereich blieb bis 1918 ein Biotop aus un-
zähligen privaten, halbstaatlichen und staatlichen Akteuren.10
Die Kriegsfürsorge präsentiert sich allenfalls auf den ersten Blick als unver-
fänglicher, karitativer Bereich. Die von der Bevölkerung geleisteten Freiwilligen-
tätigkeiten und Spendengelder schonten personelle und finanzielle Ressourcen des
8 Verena Pawlowsky, Harald Wendelin, „Die normative Konstruktion des Opfers. Die
Versorgung der Invaliden des Ersten Weltkrieges“, in: Laurence Cole, Christa Häm-
merle u.a. (Hg.), Glanz, Gewalt, Gehorsam. Militär und Gesellschaft in der Habsbur-
germonarchie (1800 bis 1918), Essen 2011, S. 359-383; Verena Pawlowsky, Harald
Wendelin, Die Wunden des Staates. Kriegsopfer und Sozialstaat in Österreich 1914 –
1938, Wien u.a. 2015.
9 Im Gegensatz zum Kriegshilfsbüro und Roten Kreuz als Institutionen der österreichi-
schen Reichshälfte war das Kriegsfürsorgeamt aufgrund seiner Verankerung im k. u. k.
Kriegsministerium formal für die gesamte gemeinsame Armee zuständig. Dementspre-
chend plante es seine Hilfsaktionen, etwa für bedürftige Soldaten an der Front, unab-
hängig von deren Herkunft. Spenden sammeln durfte das Kriegsfürsorgeamt aufgrund
ungarischer Widerstände jedoch nur auf dem Gebiet der österreichischen Reichshälfte.
Eduard von und zu Liechtenstein, „Die Kriegsfürsorge in Oesterreich. Was ich wollte
und wie sie tatsächlich war“, in: Heldenwerk. Ein literarisches Monumentalwerk zum
ewigen Gedenken an die ruhmvollen Waffentaten der österreichisch-ungarischen Ar-
mee und ihrer Helden, Innsbruck o. J. [1920?], S. 263-273, hier 264-265. Der ehemalige
Leiter des Kriegshilfsbüros liefert in diesem Rückblick pointierte Einblicke in seine
persönlichen Überzeugungen und leidvollen Erfahrungen im Kriegsfürsorgewesen.
10 Zum Verhältnis zwischen Staat und BürgerInnen im Bereich der Kriegsfürsorge vgl.
Ke-chin Hsia, War, welfare, and social citizenship. The politics of war victim welfare
in Austria, 1914–1925, Chicago 2013.
Bildspuren – Sprachspuren
Postkarten als Quellen zur Mehrsprachigkeit in der späten Habsburger Monarchie
- Title
- Bildspuren – Sprachspuren
- Subtitle
- Postkarten als Quellen zur Mehrsprachigkeit in der späten Habsburger Monarchie
- Authors
- Karin Almasy
- Heinrich Pfandl
- Editor
- Eva Tropper
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4998-1
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 346
- Keywords
- Postkarte, Mehrsprachigkeit, Habsburger Monarchie, Alltagsgeschichte, Kurznachrichtenträger, Alltagskommunikation, Fotografie, Untersteiermark, Mikrogeschichte, Eisenbahn, Tourismus
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen