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278 | Joachim Bürgschwentner
gefangen“ nehmen (Nr. 10, Abb. 1) oder während des Kampfes „mit größter See-
lenruhe ihre Pfeife weiterrauchen“ (Nr. 27). Diese und andere Kampfszenen wei-
sen stereotype, sich stets wiederholende Muster auf, die allerdings keineswegs ein
Spezifikum der Kriegsbildkarten sind: Die dynamisch voranstürmenden österrei-
chisch-ungarischen Truppen, die keine oder lediglich geringe Verluste erleiden,
treffen auf die gegnerischen Soldaten, die sich zum Teil noch wehren, zum Teil
verwundet oder gefallen sind und sich zum Teil zur Flucht wenden oder ergeben.
Mit dieser Komposition konnte – selbst ohne erklärenden Text – der positive Aus-
gang der Schlacht in einer Szene unmissverständlich zum Ausdruck gebracht wer-
den. (vgl. a. Abb. 1) Dass die Natur derartiger Kompositionen auch so manchem
Zeitgenossen nicht entging, zeigt ein am 25. Jänner 1915 anonym erschienener
Beitrag in der Wiener Sonn- und Montagszeitung. Der Autor kritisiert darin diese
„Schlachtenbilder“ als „grenzenlos albern und kindisch“. Im Fall der Kriegsbild-
karten sei dies umso „ärgerlicher, weil, trotzdem eines so aussieht wie das andere,
sie sich als Darstellungen von textlich genau beschriebenen besonderen Ge-
fechtseinzelheiten geben“.30
Die im Artikel erwähnten Beschreibungen sind im Übrigen ein Spezifikum der
Kriegsbildkartenserie. Während die Masse der Kriegsansichtskarten egal welcher
Provenienz das Bild für sich alleine sprechen lässt oder durch einen Kurztitel le-
diglich eine Orientierungshilfe bietet, liefern die Kriegsbildkarten eine ausführli-
che Erklärung, wie die Illustrationen zu lesen sind, wodurch ihre mobilisierende
Intention besonders leicht greifbar ist. Dem Duktus der Zeit entsprechend verwen-
den die Kartentexte vielfach die identitätsfördernde erste Person Plural („unsere
Truppen“) und versuchen, die dargestellte Leistung mit Epitheta wie „tapfer“,
„ruhmreich“, „enorm“ und „riesig“ zu überhöhen. Analog zu den stereotypen Bil-
dern weisen auch die Texte phrasenhafte Wortwiederholungen auf, etwa wenn sie
sowohl die „Bravouröse Auffahrt unserer Artillerie“ (Nr. 5) als auch die „Bravou-
röse Verfolgung einer Kosakensotnie31 durch unsere Ulanen“ (Nr. 8) feiern. Oder
wenn die serbische Armee „unter ungeheuren Verlusten für den Feind“ (Nr. 9) aus
Syrmien vertrieben wird, ebenso wie die russischen Angriffe auf Przemyśl „unter
ungeheuer schweren Verlusten für den Feind zurückgeschlagen“ (Nr. 23) werden.
30 Wiener Sonn- und Montagszeitung, 25.1.1915, S. 7.
31 Sotnĭe, vom russischen sotnja für 'das Hundert', bezeichnet eine Kosakenabteilung, die
zur Zeit des Ersten Weltkriegs etwa 150 Mann umfasste und damit in etwa einer Kom-
panie oder Eskadron entsprach. Vgl. „Sotnĭe“, in: Brockhaus' Kleines Konversations-
Lexikon, Bd. 2, Leipzig 51911, S.728.
Bildspuren – Sprachspuren
Postkarten als Quellen zur Mehrsprachigkeit in der späten Habsburger Monarchie
- Title
- Bildspuren – Sprachspuren
- Subtitle
- Postkarten als Quellen zur Mehrsprachigkeit in der späten Habsburger Monarchie
- Authors
- Karin Almasy
- Heinrich Pfandl
- Editor
- Eva Tropper
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4998-1
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 346
- Keywords
- Postkarte, Mehrsprachigkeit, Habsburger Monarchie, Alltagsgeschichte, Kurznachrichtenträger, Alltagskommunikation, Fotografie, Untersteiermark, Mikrogeschichte, Eisenbahn, Tourismus
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen