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284 | Joachim Bürgschwentner
Prozent des k. u. k. Feldkanonenregiments 9 und 86 Prozent des k. u. k. Infante-
rieregiments 17, Abb. 2), die Ruthenen und Polen (65 bzw. 30 Prozent des k. k.
Landwehrulanenregiments 1) sowie die Bosnier (94,40 Prozent der bosnisch-her-
zegowinischen Truppen, Abb. 1).
Zwar entstammt der auf Karte Nr. 13 heroisierte Adolf Freiherr von Stillfried
und Rathenitz (Abb. 2) einem Adelsgeschlecht mit vielfältigen Verbindungen
nach Böhmen, Mähren und Schlesien,41 dennoch ist bemerkenswert, dass ausge-
rechnet die Tschechen auf keiner einzigen Karte mit Mannschaftssoldaten reprä-
sentiert sind. Dies überrascht umso mehr, als „[s]ämtliche Karten auch mit böh-
mischem […] Texte erschienen“ sind, wie aus einer aus dem Dezember 1914 da-
tierenden Verkaufsliste hervorgeht. Es wäre somit konsequent gewesen, wenn dies
auch einen visuellen Niederschlag gefunden hätte. Mit der Publikation der Serie
auf Deutsch und Tschechisch (vgl. Abb. 3) – einige Karten erschienen auch auf
Italienisch42 – deckten die Kriegsbildkarten die beiden größten Sprachgruppen Ös-
terreichs ab, die zusammen etwa 60 Prozent der Bevölkerung stellten.43
Dass lediglich eine Karte auf ungarische Soldaten Bezug nimmt und die Serie
auch nicht in ungarischer Sprache aufgelegt wurde, kann hingegen mit der Produ-
zenten- und Konsumentenebene erklärt werden. Die Kriegsbildkarten wurden von
der für Österreich zuständigen offiziellen Kriegsfürsorge herausgegeben und wa-
ren für Käufer dieser Reichshälfte bestimmt. Die ungarische Kriegsfürsorge pro-
duzierte nämlich ihre eigenen Kriegsbildkarten in sehr ähnlichem Layout, aber mit
anderen Motiven und in ungarischer Sprache (vgl. Abb. 4).
Wie die Reaktion der Menschen auf dieses patriotische Angebot ausfiel, muss
aus Mangel an Quellen dahingestellt bleiben. Auch die im Rahmen dieses Beitrags
41 Tschechisch sprach Stillfried allerdings nicht, wie er in den „Erinnerungen aus meinem
Leben“ ausführt. Wenn er im Laufe seiner Karriere Ansprachen vor tschechischen Of-
fizieren und Mannschaften halten musste, ließ er sich seine Rede übersetzen, lernte sie
auswendig und trug sie dann zur Freude der Zuhörenden korrekt vor – ohne jedoch ein
Wort davon zu verstehen. ÖStA, KA, NL, 862 (B), Nr. 1, S. 123. Ich danke Tamara
Scheer für diese Information.
42 Bestellliste der technischen Betriebszentrale des Kriegshilfsbüros, o.D. [Dezember
1914], liegt bei: ÖStA, AVA, MdI Varia Kart. 51, Zl. 1659/K.H.B. (21. Jänner 1915),
S. 2.
43 Der Census von 1910 weist als die drei größten Gruppen von Sprachangehörigen 9,95
Millionen mit deutscher, 6,44 Millionen mit „böhmisch-mährisch-slovakischer“ und
4,97 Millionen mit polnischer Umgangssprache aus. K. k. statistische Zentralkommis-
sion (Hg.), Die Ergebnisse der Volkszählung vom 31. Dezember 1910 in den im Reichs-
rate vertretenen Königreichen und Ländern, Wien 1912, S. 59.
Bildspuren – Sprachspuren
Postkarten als Quellen zur Mehrsprachigkeit in der späten Habsburger Monarchie
- Title
- Bildspuren – Sprachspuren
- Subtitle
- Postkarten als Quellen zur Mehrsprachigkeit in der späten Habsburger Monarchie
- Authors
- Karin Almasy
- Heinrich Pfandl
- Editor
- Eva Tropper
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4998-1
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 346
- Keywords
- Postkarte, Mehrsprachigkeit, Habsburger Monarchie, Alltagsgeschichte, Kurznachrichtenträger, Alltagskommunikation, Fotografie, Untersteiermark, Mikrogeschichte, Eisenbahn, Tourismus
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen