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288 | Joachim Bürgschwentner
Weltkriegs als wichtige Faktoren zur Beeinflussung der Bevölkerung erachtet
wurden: So hatte das k. u. k. Kriegsministerium 1912 bedauert, dass „[i]n den
Grenzgebieten der Monarchie (insbesondere in Galizien und Südtirol)“48 statt
Bildnissen Kaiser Franz Josephs „fremde Herrscher, z. B. der Czar, oder fremde,
das Fühlen und Denken der Leute gefährlich beeinflußende Persönlichkeiten, wie
Garibaldi etc.“ die Wände der Bauernhäuser schmückten. Das Kriegsministerium
führte das nicht auf mangelnden Patriotismus zurück, sondern auf die Armut der
Leute. Sie würden das als Schmuck nutzen, was sie möglichst billig oder umsonst
bekamen und dies werde von irredentistischen Agitatoren ausgenützt. Das k. u. k.
Kriegsministerium riet dem k. k. Ministerium des Innern, als Gegenmaßnahme
kostenlose Bildnisse des Kaisers zu verteilen.49 Darüber hinaus erwog es selbst
verschiedene Maßnahmen, um „der irredentistischen Propaganda“ etwas entge-
genzusetzen und „das dynastische und loyale Empfinden der Bevölkerung“ durch
eine „weitgehende Verbreitung militärpatriotischer Bilder“ zu fördern.“50
Im Mai 1914 wandte sich das k. u. k. 14. Korps- und Landesverteidigungs-
kommando in Innsbruck in dringlichem Ton gleichzeitig an das k. u. k. Kriegsmi-
nisterium und das k. k. Ministerium für Landesverteidigung und beklagte „die
förmliche Ueberschwemmung SUEDTIROLS“ mit Portraits der italienischen Kö-
nigsfamilie sowie mit Darstellungen der italienischen Erfolge in Nordafrika. Des-
halb ersuchte es als Gegenmaßnahme um eine möglichst umfangreiche Verbrei-
tung von Portraits des Kaisers und von Mitgliedern des Erzhauses sowie „von
Helden der vaterländischen Geschichte, insbesondere aus der Vergangenheit TI-
ROL‘S“.51 Während sich Kriegsministerium und Ministerium für Landesverteidi-
gung über die Antwort an das Korpskommando – und über die Frage, in die Kom-
petenz welches der beiden Ministerien derartige Angelegenheiten fielen52 – ver-
ständigten, schritt die Entwicklung auf zwei Ebenen voran. Zum einen holte das
bezüglich der Involvierung der Schulen53 kontaktierte k. k. Ministerium für Kultus
und Unterricht die Meinung des Vorsitzenden des Tiroler Landesschulrates, Statt-
48 Mit „Südtirol“ ist in diesem Zitat und im gesamten Schriftverkehr nicht das Gebiet des
heutigen Südtirol/Alto Adige gemeint, sondern das Trentino.
49 ÖStA, AVA, MdI Präs. Kart. 1221, Zl. 7712/1914.
50 ÖStA, KA, KM Präs. Kart. 1603, Zl. 1914/53 – 2/27.
51 ÖStA, KA, KM Präs. Kart. 1603, Zl. 1914/53 – 2/27.
52 ÖStA, KA, MfLV Präs. Kart. 855, Zl. 4551/1914.
53 Zur Instrumentalisierung der Schule in kriegswirtschaftlicher und patriotischer Hinsicht
am Beispiel Tirols vgl. Werner Auer, Kriegskinder. Schule und Bildung in Tirol im
Ersten Weltkrieg, Innsbruck 2008.
Bildspuren – Sprachspuren
Postkarten als Quellen zur Mehrsprachigkeit in der späten Habsburger Monarchie
- Title
- Bildspuren – Sprachspuren
- Subtitle
- Postkarten als Quellen zur Mehrsprachigkeit in der späten Habsburger Monarchie
- Authors
- Karin Almasy
- Heinrich Pfandl
- Editor
- Eva Tropper
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4998-1
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 346
- Keywords
- Postkarte, Mehrsprachigkeit, Habsburger Monarchie, Alltagsgeschichte, Kurznachrichtenträger, Alltagskommunikation, Fotografie, Untersteiermark, Mikrogeschichte, Eisenbahn, Tourismus
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen