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Multiethnische Mobilisierung | 293
rie der offiziellen Kriegsfürsorge kann in diesem Kontext als vergleichsweise klei-
ner aber durchaus gelungener Beitrag zur „Förderung des patriotischen Gedan-
kens“ bewertet werden.
Die 50 Nummern umfassende Serie verzichtete auf historische Referenzen, die
schwieriger als vereinendes Element eingesetzt werden konnten und konzentrierte
sich stattdessen ganz auf die aktuellen Ereignisse. Hierbei wurden Führung, Er-
folge und technische Ausstattung der Armee besonders in Szene gesetzt. Dadurch
zielten die Kriegsbildkarten darauf ab, im Lichte von Rückschlägen und Entbeh-
rungen die Loyalität und das Vertrauen zur militärischen Führung zu stärken.
Obwohl die Armee als eine der wenigen gesamtstaatlichen Institutionen in sich
schon den alle Differenzen überwindenden Kampf für die multiethnische Monar-
chie repräsentierte, heben die Kriegsbildkarten darüber hinaus die Bedeutung der
nicht-deutschen Sprachgruppen gesondert hervor. Die Bilder und dazugehörigen
Texte waren häufig einzelnen Einheiten gewidmet, die unterschiedlichen Regio-
nen und unterschiedlichen Sprachgruppen der Monarchie zugeordnet werden kön-
nen. Sie boten so der Bevölkerung regionale Anknüpfungspunkte und visualisier-
ten in ihrer Gesamtheit den gemeinsamen Einsatz der verschiedenen „Völker“ für
ihre gemeinsame Heimat.
Die Wirkung der Bilder wurde durch Beifügung mobilisierender Texte ver-
stärkt, deren Veröffentlichung in drei verschiedenen Sprachen erfolgte: in Deutsch
und Tschechisch, den zahlenmäßig größten der österreichischen Reichshälfte, so-
wie im angesichts der außenpolitischen Situation wichtigen Italienischen. Damit
lassen die Kriegsbildkarten das Bestreben erkennen, der Bevölkerung regional-
ethnische Identifikationsangebote zu bieten und ihr zudem in ihrer Alltagssprache
zu begegnen.
Mit dieser inhaltlichen Ausrichtung waren die Karten in den Augen der Ver-
waltung dazu geeignet, auch außerhalb des Kriegsfürsorgekontextes und abseits
der postalischen Kommunikation durch eine Verteilungsaktion gezielt zur patrio-
tischen Erziehung der Untertanen – in diesem Fall italienischsprachiger Schulkin-
der – herangezogen zu werden.
Diese Aspekte heben die Kriegsbildkarten innerhalb der Gesamtproduktion
der offiziellen Karten während des Ersten Weltkriegs hervor. Abgesehen von ei-
nigen wenigen Einzelfällen erfolgte ab 1915 die Ansichtskartenproduktion der of-
fiziellen Kriegsfürsorge in Österreich ausschließlich auf Deutsch. Die ausführli-
cheren Bildunterschriften wichen meist kurzen Titeln und auch die Nennung spe-
zifischer Einheiten erfolgte viel seltener. Zudem finden sich bis Jahresende 1917
keine Hinweise mehr darauf, dass staatliche Stellen eine kostenlose Verteilung
von Ansichtskarten zur patriotischen Mobilisierung vornahmen.
Bildspuren – Sprachspuren
Postkarten als Quellen zur Mehrsprachigkeit in der späten Habsburger Monarchie
- Title
- Bildspuren – Sprachspuren
- Subtitle
- Postkarten als Quellen zur Mehrsprachigkeit in der späten Habsburger Monarchie
- Authors
- Karin Almasy
- Heinrich Pfandl
- Editor
- Eva Tropper
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4998-1
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 346
- Keywords
- Postkarte, Mehrsprachigkeit, Habsburger Monarchie, Alltagsgeschichte, Kurznachrichtenträger, Alltagskommunikation, Fotografie, Untersteiermark, Mikrogeschichte, Eisenbahn, Tourismus
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen