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296 | Rudolf Jaworski
tigt. Denn erst eine solche Zusammenschau macht es überhaupt möglich, die un-
terschiedlichen Gewichtungen und Ausprägungen des keineswegs einförmigen
ideologischen Konstrukts „‚deutsch‘ oder ‚slawisch‘?“ auszuloten.
Dem Einsatz visueller Medien kam in diesem ‚Kampf um die Herzen‘ von
vornherein eine herausragende Bedeutung zu, erreichten ihre optisch verdichteten,
suggestiven und emotional aufgeladenen Botschaften in Karikaturen, auf Plakaten
u. ä. m. vergleichsweise schnell ihre Adressaten. So hielten vor allem die millio-
nenfach produzierten und kommunizierten Kriegspostkarten nicht nur den Kon-
takt zwischen Front und Hinterland aufrecht, sondern transportierten zudem die
Leitbilder der Kriegspropaganda bis in die Privatsphäre hinein.3
Motive patriotischen und militärischen Inhalts hatten während des Krieges ver-
ständlicher Weise deutlich an Zahl und Bedeutung zugenommen. Auch wenn wir
diesen Aufschwung nicht wirklich quantifizieren und auch die Rezeption speziell
dieses Genres nicht näher bestimmen können, zeugt allein schon die große Menge
bis heute erhalten gebliebener Propagandakarten aus dem Ersten Weltkrieg von
der Popularität solcher Kriegsmotive.
Anhand ausgewählter Bildpostkarten aus verschiedenen Ländern soll hier die
Visualisierung ethnopolitischer Positionen und Kontroversen im Verhältnis zwi-
schen Tschechen, Polen, Deutschen und Österreichern während des Krieges in
vergleichender Perspektive erörtert werden, wobei der sprachliche Aspekt schon
deshalb von großer Bedeutung ist, als die meisten Kartenmotive mit Untertiteln
versehen waren, welche die Bildinhalte paraphrasierten und kommentierten Im
Zentrum der nachfolgenden Betrachtungen steht der in den Propagandafeldzügen
aller Beteiligten betonte Gegensatz zwischen ‚deutsch‘ und ‚slawisch‘. Schließ-
lich wurde dieser Krieg von den Mittelmächten im Namen der ‚Nibelungentreue‘
geführt und ist auch von russischer Seite zu einem Entscheidungskampf zwischen
3 Und zum Folgenden vgl.: Christine Brocks, Die bunte Welt des Krieges. Bildpostkarten
aus dem ersten Weltkrieg 1914–1918, Essen 2006, S. 11-51; Pierre Brouland,
Guillaume Doizy, La Grande guerre des cartes postales, Paris 2013; Bogusław Dybaś,
Rudolf Jaworski (Hg.), Wem gehört Polen? Propagandapostkarten aus dem Ersten
Weltkrieg, Wien 2018; Claudia Friedrich, Propaganda im Ersten Weltkrieg. Die Post-
karte als Propagandamedium in Österreich-Ungarn, Graz 2002; Hubertus Jahn, Patri-
otic Culture in Russia during World War I, London 1995; Otto May, Weltkrieg der
Postkarten 1914–1918, Hildesheim 2013; Rudolf Jaworski, Deutsche und tschechische
Ansichten. Kollektive Identifikationsangebote auf Bildpostkarten in der späten Habs-
burgermonarchie, Innsbruck 2006, S. 127-142.
Bildspuren – Sprachspuren
Postkarten als Quellen zur Mehrsprachigkeit in der späten Habsburger Monarchie
- Title
- Bildspuren – Sprachspuren
- Subtitle
- Postkarten als Quellen zur Mehrsprachigkeit in der späten Habsburger Monarchie
- Authors
- Karin Almasy
- Heinrich Pfandl
- Editor
- Eva Tropper
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4998-1
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 346
- Keywords
- Postkarte, Mehrsprachigkeit, Habsburger Monarchie, Alltagsgeschichte, Kurznachrichtenträger, Alltagskommunikation, Fotografie, Untersteiermark, Mikrogeschichte, Eisenbahn, Tourismus
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen