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Deutsch oder slawisch? | 305
demselben Grund als ein Synonym für Gewalt und Aufruhr gegen die Obrigkeit.
Im Krieg konnte die Erinnerung an diese Symbolfigur tschechischer Wehrhaf-
tigkeit und an die Hussitenstürme zudem im feindlichen Ausland zur ideologi-
schen Aufrüstung gegen die Mittelmächte genutzt werden. Während nämlich die
überwiegende Mehrheit der tschechischen Soldaten und Offiziere ihren Dienst an
der Waffe bis zum Kriegsende loyal erfüllte, formierten sich in Russland, Italien,
Frankreich und in den USA tschechische, später tschecho-slowakische Freiwilli-
genverbände bestehend aus Überläufern, Gefangenen und Auslands-tschechen
und -slowaken, die aufseiten der Alliierten gegen die Mittelmächte kämpften, wo-
bei die bedeutendste Formation dieser Art zweifellos die tschechoslowakische Le-
gion in Russland gewesen ist.12
Von einer dieser Formationen ist eine amateurhaft gestaltete Bildpostkarte er-
halten geblieben, die als „Offener Brief der tschechischen Schützeneinheit Jan
Žižka der kaiserlichen russischen Armee“ (russ.: Otkrytoe pis’mo češskich Jana
Žižki strelkov Imperatorskoj Russkoj Armii)“, abgestempelt am 7. Januar 1917 im
Kriegsgefangenenlager Tockoe im Gouvernement Samara, mit russischen und
tschechischen Aufdrucken versehen ist (Abb. 6). Auf der linken Bildseite ist ein
etwas ungelenk gezeichneter hussitischer Krieger zu sehen, der mit einem Fuß auf
dem Nacken eines gefallenen Kreuzritters steht, sich auf ein charakteristisches
hussitisches Langschild stützt und in der anderen Hand eine Kelchfahne aufrecht
hält, eingerahmt von einem Spruchband mit einem variierten Zitat aus dem be-
kannten hussitischen Kampflied Kdož jste Boži bojovnici ('Ihr, die ihr Gottes Strei-
ter seid').
12 Siehe zu den Anfängen der tschechoslowakischen Legion in Russland: John
F.N.Bradley, The Czechoslovak Legion in Russia 1914–1920, New York 1991, S. 5-46;
und länderübergreifend vor allem: Karel Pichlik et al., Českoslovenšti legionári (1914–
1920), Praha 1996.
Bildspuren – Sprachspuren
Postkarten als Quellen zur Mehrsprachigkeit in der späten Habsburger Monarchie
- Title
- Bildspuren – Sprachspuren
- Subtitle
- Postkarten als Quellen zur Mehrsprachigkeit in der späten Habsburger Monarchie
- Authors
- Karin Almasy
- Heinrich Pfandl
- Editor
- Eva Tropper
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4998-1
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 346
- Keywords
- Postkarte, Mehrsprachigkeit, Habsburger Monarchie, Alltagsgeschichte, Kurznachrichtenträger, Alltagskommunikation, Fotografie, Untersteiermark, Mikrogeschichte, Eisenbahn, Tourismus
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen