Page - 327 - in Bildspuren – Sprachspuren - Postkarten als Quellen zur Mehrsprachigkeit in der späten Habsburger Monarchie
Image of the Page - 327 -
Text of the Page - 327 -
„Gegen die feindliche Fremdherrschaft“ | 327
kulturellen Elite einerseits die Sorge um die eigene Existenz, aber auch eine nati-
onalistische Paranoia breit. In diesem Kontext wurden im Sommer 1919 mehr als
200 Filialen deutscher Vereine aufgelöst, und zwar mit dem Argument, dass es
sich dabei um Niederlassungen von Vereinen mit Sitz im Ausland handle, die mit
ihrer Tätigkeit den Interessen des Königreichs SHS zuwiderliefen. Das Vermögen
dieser deutschen Vereine wurde konfisziert. Staats- wie Landesbeamte, die sich
vor dem Zerfall der Monarchie als Deutsche deklariert hatten, wurden schrittweise
entlassen. Zwischen 1918 und 1921 verließen unter Aufsicht der slowenischen
Behörden nach groben Schätzungen ca. 30.000 Deutsche das Territorium der ehe-
maligen Untersteiermark, insbesondere Beamte und deren Familien.12
Neben dieser direkten Abrechnung mit der deutsch fühlenden Bevölkerung
hatten auch die von der Nationalen Regierung in den ersten Wochen und Monaten
nach dem Zerfall Österreich-Ungarns getroffenen Verordnungen einschneidende
Auswirkungen auf die sprachliche Realität in der slowenischen Steiermark. Schon
bei ihrer ersten Sitzung am 1. November 1918 erklärte die Nationale Regierung
für das von ihr kontrollierte Territorium Slowenisch zur Amtssprache. Gleichzei-
tig nahmen sich die Machthaber mit Nachdruck der Slowenisierung des äußeren
Erscheinungsbildes der Orte an. Zweisprachige und deutsche Straßennamen, so-
wie Schilder über Ämtern, Geschäften, Werkstätten und Büros wurden durch slo-
wenische Aufschriften ersetzt.13 Vielerorts wurden die Bewohner der ehemaligen
12 Die slowenische Geschichtsschreibung der letzten zwei Jahrzehnte hat dem Verhältnis
der slowenischen Verwaltung zur deutschen Minderheit sowie den Prozessen der ersten
Nachkriegsjahre große Aufmerksamkeit gewidmet, zuletzt Aleš Gabrič (Hg.), Slovenski
prelom 1918, Ljubljana: 2019. Einschlägige Referenzwerke sind Dušan Nećak (Hg.),
„Nemci“ na Slovenskem 1941-1955: izsledki projekta: zbornik, Ljubljana 2002
(=Razprave Filozofske fakultete); Dušan Nećak et al (Hg.), Slovensko-avstrijski odnosi
v 20. stoletju = Slowenisch-österreichische Beziehungen im 20. Jahrhundert, Ljubljana
2004 (= Historia: znanstvena zbirka Oddelka za zgodovino Filozofska fakultete v Ljub-
ljani, Jahrgang 8).
13 Bzgl. konkreter Maßnahmen vgl. z.B. Andrej Studen, „‚Odstranjevanje prejšnje zunan-
josti in ponemčevalnega stremljenja šolske oblasti‘: preustroj šol na Spodnjem Štajer-
skem v prevratni dobi“, in: Aleš Gabrič (Hg.) Slovenski prelom 1918, Ljubljana 2019,
S. 161-180; Gregor Jenuš, „Maribor ali ‚Marburg an der Drau‘?: spreminjanje nacio-
nalne identitete mesta v prvi polovici 20. stoletja“, Časopis za zgodovino in narodopisje
85 = 50, Nr. 4 (2014), S. 35-69; Željko Oset, „Nadzor premoženja ‚tujerodcev‘ po prvi
svetovni vojni na Ptujskem“, in: Martin Šteiner (Hg.), Ptuj v 20. stoletju, Ptuj 2018, S.
167-182; Ljubica Šuligoj, „Narodnostne razmere na ptujskem območju med obema
vojnama“, Časopis za zgodovino in narodopisje 61, Nr. 2, 1904, S. 231-239; Janez
Bildspuren – Sprachspuren
Postkarten als Quellen zur Mehrsprachigkeit in der späten Habsburger Monarchie
- Title
- Bildspuren – Sprachspuren
- Subtitle
- Postkarten als Quellen zur Mehrsprachigkeit in der späten Habsburger Monarchie
- Authors
- Karin Almasy
- Heinrich Pfandl
- Editor
- Eva Tropper
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4998-1
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 346
- Keywords
- Postkarte, Mehrsprachigkeit, Habsburger Monarchie, Alltagsgeschichte, Kurznachrichtenträger, Alltagskommunikation, Fotografie, Untersteiermark, Mikrogeschichte, Eisenbahn, Tourismus
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen