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„Gegen die feindliche Fremdherrschaft“ | 329
gegenüber dem Deutschen. Mit einer am 16. November 1918 erlassenen Verord-
nung zur Unterrichtssprache wurde das Slowenische als ausschließliche Schul-
sprache für alle Volks- und Bürgerschulen vorgeschrieben. Durch diese Verord-
nung, die einige Wochen später publiziert wurde, wurde den Bezirks- und Orts-
schulräten gesetzlich angeordnet, vor Ort unmittelbar zu überprüfen, wo das Deut-
sche als fakultativer Unterrichtsgegenstand aus wirtschaftlichen Überlegungen
sinnvoll wäre und wo es galt, das Deutsche vollends aus dem Fächerkatalog zu
streichen. Zahlreiche steirische Schulräte – wie es auch das Beispiel aus Šmarje
pri Jelšah gezeigt hat – positionierten sich diesbezüglich als radikal antideutsch.
Konsequent wurden die steirischen Schulen mehrheitlich slowenisiert, in Orten
mit deutscher Bevölkerung wurden Parallelklassen mit deutscher Unterrichtsspra-
che zugelassen. Gleichzeitig wurde von den Schulbehörden die Einschreibung in
rein deutsche (mehrheitlich private) Schulen möglichst eingeschränkt. Schulen
mit ausschließlich deutscher Unterrichtssprache sollten nur in jenen Fällen erlaubt
werden, in denen in einer Klasse mindestens 40 Kinder „rein deutscher Nationali-
tät“ eingeschrieben wurden, wobei die slowenischen Machthaber Kinder aus
Mischehen nicht als „rein deutsch“ anerkannten. Gleichzeitig wurde an diesen
Schulen Slowenisch als Unterrichtsfach eingeführt, und das Lehrpersonal musste
versprechen, in absehbarer Zeit Slowenisch zu erlernen und eine Prüfung darüber
abzulegen. Nach demselben Schema wurde sodann auch die Slowenisierung des
Mittelschulwesens durchgeführt. Die ehemals utraquistischen und deutschen
Gymnasien und Realschulen wurden slowenisiert, es wurde das Fach Serbokroa-
tisch eingeführt, und die Stundenanzahl des Faches Deutsch wurde reduziert.16
In der slowenischen Steiermark nahmen sich die lokalen Beamten, Lehrerin-
nen und Lehrer der Slowenisierung des Schulapparats mehr oder weniger konse-
quent und geplant an. Unter den Lehrern sowie in breiteren Schichten der lokalen
– sowohl deutschsprachigen wie auch zweisprachigen oder sogar slowenischspra-
chigen – Bevölkerung gab es nämlich nicht wenige, die offenen Widerstand gegen
den neuen ‚jugoslawischen‘ Staat zeigten und sich öffentlich für den Anschluss
eines Teils oder gar der ganzen Untersteiermark an Deutschösterreich einsetzten.
Daraufhin verloren zahlreiche deutsche oder ‚deutsch gesinnte‘ Lehrerinnen und
Lehrer ihre Stelle. Meist wurden als Grund für die Entlassung die Unkenntnis des
Slowenischen bzw. eine feindliche Einstellung gegenüber den Slowenen ange-
führt. Nach der Marburger Demonstration vom 27. Jänner 1919, dem so genann-
ten „Marburger Blutsonntag“, an der zahlreiche Lehrer und Schüler teilnahmen,
16 Vgl. Dolenc, „Deavstrizacija“; sowie Aleš Gabrič, „Hitra slovenizacija šolskih in kul-
turnih ustanov“, in: Aleš Gabrič (Hg.), Slovenski prelom 1918, Ljubljana 2019, S. 141-
160.
Bildspuren – Sprachspuren
Postkarten als Quellen zur Mehrsprachigkeit in der späten Habsburger Monarchie
- Title
- Bildspuren – Sprachspuren
- Subtitle
- Postkarten als Quellen zur Mehrsprachigkeit in der späten Habsburger Monarchie
- Authors
- Karin Almasy
- Heinrich Pfandl
- Editor
- Eva Tropper
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4998-1
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 346
- Keywords
- Postkarte, Mehrsprachigkeit, Habsburger Monarchie, Alltagsgeschichte, Kurznachrichtenträger, Alltagskommunikation, Fotografie, Untersteiermark, Mikrogeschichte, Eisenbahn, Tourismus
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen