Web-Books
in the Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Geschichte
Chroniken
Europäische Bild- und Buchkultur im 13. Jahrhundert
Page - 83 -
  • User
  • Version
    • full version
    • text only version
  • Language
    • Deutsch - German
    • English

Page - 83 - in Europäische Bild- und Buchkultur im 13. Jahrhundert

Image of the Page - 83 -

Image of the Page - 83 - in Europäische Bild- und Buchkultur im 13. Jahrhundert

Text of the Page - 83 -

83 das wEinGartEnEr BErthold-sakramEntar des Weingartener Konvents“ entworfen wurde, möglicherweise vom Auftraggeber selbst.41 Der Maler, möglicherweise ein weltlicher Wanderkünstler, dem zahlreiche Bildmotive und auch „moderne“ Erscheinungen wie die Spiralranken und Ran- kenkletterer des Channel Style geläufig waren, bediente sich bei der Ausführung al- ler ihm bekannter Versatzstücke und Strategien, die die vielzitierten Musterbücher eingeschlossen haben können, aber nicht müssen.42 Für viele anderweitig nicht belegbare Motive wie zum Beispiel die diversen Hei- ligenmartyrien, viele von ihnen singuläre Ikonographien, brauchte er auch keine Vorlagen. Er konnte sie aus seinem Repertoire ad hoc kreieren, wie etwa die beiden übereinstimmenden Thronenden auf fol. 18r zu Innocentum und auf fol. 114r die Enthauptung des Chosroes zum Fest der Kreuzerhöhung zeigen.43 Wenige Jahr- zehnte früher schuf in analoger Weise der Zeichner des Schäftlarner Decretum Gra- tiani einen völlig neuen Zyklus zu den juristischen Musterfällen, indem er ebenfalls auf sein Repertoire von Versatzstücken, Körper- und Bewegungsschemata zurück- griff, das er in entsprechender Weise zur Illustration von Heiligenviten einsetzen konnte.44 In dieser Handschrift taucht übrigens in einer der ersten Initialen ein fast identischer Thronender auf.45 Nutzung und Funktion Das Berthold-Sakramentar ist wie der wenig spätere Hainricus-Codex annähernd frei von Gebrauchsspuren, was gerade aus Fuldaer Vergleichen hervorgeht.46 Auf 41 Sauer in: Das Berthold Sakramentar 2013–2014 (zit. Anm. 10), Bd. 2, S. 105–107. 42 Zu dieser Fragestellung vgl. meine sehr allgemeinen Überlegungen zur Rolle der Mne- monik bei der Übertragung künstlerischer Motive, Jakobi-Mirwald, Text – Buchstabe – Bild (zit. Anm. 39), S. 147–148. Nach wie vor grundlegend: Mary J. Carruthers: The Book of Memory. A Study of Memory in Medieval Culture. Cambridge 1990 (Cam- bridge Studies in Medieval Literature). 43 Diese seltene Ikonographie bezieht sich auf eine Episode aus der Kreuzlegende, nach der der Sassaniden-Großkönig Chosrau/Chosroes Syrien und Palästina erobert und die Kreuzreliquie aus Jerusalem entführt hat. Der byzantinische Kaiser Herakleios besiegte und enthauptete ihn im Jahr 628 und führte die Reliquie nach Jerusalem zurück, somit die Nachfolge des Kreuzauffinders Konstantin antretend. Das heute bekannteste Bei- spiel für die Enthauptung des Chosroes stammt von Piero della Francesca (Freskenzyk- lus für die Bacci-Kapelle in San Francesco in Arezzo, 1452–66). 44 München, Bayerische Staatsbibliothek, Clm 17176. Vgl. dazu Christine Jakobi-Mirwald: Die Schäftlarner Gratian-Handschrift Clm 17161 in der Bayerischen Staatsbibliothek. In: Münchner Jahrbuch der bildenden Kunst 3. F. 58 (2007), S. 23–70. 45 Clm 17161 (wie vorige Anm.), fol. 6r: Humanum Genus zur Prima pars, mit der an dieser Stelle früh kanonisch gewordenen Darstellung der Gewaltenteilung. 46 Hierzu vor allem Jakobi-Mirwald, Kreuzigung und Kreuzabnahme (zit. Anm. 18), mit An- hängen. Die Evangeliare aus der Judith-Stiftung wurden ebenfalls benutzt, zum Beispiel das Fuldaer Judith-Evangeliar Aa 21 mit einem Wachsfleck auf dem Stifterbild fol. 2v und wei- teren Gebrauchsspuren, Köllner / Jakobi-Mirwald, Die illuminierten Handschriften (zit. Anm. 13), Kat. 22, Abb. 177. Generell weisen die liturgischen Handschriften des 12. Jahr- hunderts aus Weingarten mittlere bis starke Gebrauchsspuren auf; vor allem ein Brevier des 13. Jahrhunderts, das am stärksten beschädigt ist (Fulda, Aa 56), vgl. Hausmann, Die Handschriften der Hessischen Landesbibliothek Fulda (zit. Anm. 19), S. 125–127; Köllner / Jakobi-Mirwald, Die illuminierten Handschriften (zit. Anm. 13), Kat. 59, Abb. 638–676.
back to the  book Europäische Bild- und Buchkultur im 13. Jahrhundert"
Europäische Bild- und Buchkultur im 13. Jahrhundert
Title
Europäische Bild- und Buchkultur im 13. Jahrhundert
Author
Christine Beier
Editor
Michaela Schuller-Juckes
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2020
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-21193-8
Size
18.5 x 27.8 cm
Pages
290
Categories
Geschichte Chroniken
Web-Books
Library
Privacy
Imprint
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Europäische Bild- und Buchkultur im 13. Jahrhundert