Page - 15 - in Bildungs- und Berufsberatung in der Migrationsgesellschaft - Pädagogische Perspektiven auf Beratung zur Anerkennung im Ausland erworbener Qualifikationen
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1. Anerkennung zwischen Widersprüchen 15
die zu einer Privilegierung der eigenen Position führen (vgl. Hamburger
2012, S. 17). In der vorliegenden Arbeit wird die Bezeichnung »Migrant_in-
nen« für Personen verwendet, die zwischen nationalstaatlichen Grenzen
und damit unterschiedlichen rechtlichen Bezugssystemen gewechselt ha-
ben. Ausgangspunkt ist die benachteiligte Lage von Migrant_innen auf dem
inländischen Arbeitsmarkt aufgrund dieser unterschiedlichen rechtlichen
Rahmenbedingungen und Diskriminierungsebenen in Bezug auf das Land,
in dem eine Qualifikation erworben wurde. Die Kategorie »Migrant_in« wird
in dieser Arbeit damit auch als analytische Ungleichheitsdimension verwen-
det, die sich aus den strukturellen Bedingungen im Aufnahmeland ableitet.
Kritisch ist in diesem Zusammenhang die Einteilung in Bezug auf den
Grad der Qualifizierung zu sehen. Erel (vgl. 2012) stellt mit Fokus auf zu-
gewanderte Frauen fest, dass die Differenzierung nach »qualifizierten« und
»nichtqualifizierten« Migrantinnen bzw. in »höher und niedrig qualifizierte«
Migrantinnen oftmals nicht aufgrund der Analyse ungleicher gesellschaft-
licher Ausgangsbedingungen, sondern als Zuteilung infolge fehlender oder
nur teilweise erfolgter Anerkennung stattfindet. Unberücksichtigt bleibt
weiterhin, inwiefern diese Kategorien durch die Einwanderungspolitik
überhaupt erst geschaffen werden und wie die staatlichen Praktiken die An-
erkennung und Aberkennung von Kompetenzen und Qualifikationen (mit-)
bestimmen. Die individuellen Erfahrungen eingewanderter Frauen werden
nach Erel (vgl. ebd.) infolge dieser Differenzierung kaum berücksichtigt und
stattdessen der Eindruck vermittelt, dass qualifizierte Migrantinnen ande-
re Bedingungen im Aufnahmeland vorfinden als Migrantinnen mit formal
niedrigeren Qualifikationen. An dieser Stelle hebt die Autorin hervor, dass
qualifizierte Migrantinnen nicht bereits durch ihre Qualifikation vor Diskri-
minierung geschützt sind (vgl. ebd., S. 126f.). Diese Erkenntnisse sind für
die vorliegende Arbeit besonders von Bedeutung, da Anerkennungsberatung
vor allem von höher qualifizierten Personen in Anspruch genommen wird
(vgl. AST 2015). Ausgangspunkt der Beratung ist hier zunächst die im Aus-
land erworbene Qualifikation unabhängig von der rechtlichen Anerkennung.
Die damit verbundenen staatlichen Praktiken der An- und Aberkennung
sind für die vorliegende Arbeit forschungsleitend.
In diesem Zusammenhang ist auf die randständige Thematisierung der
Rollen von Frauen im Kontext von Migration hinzuweisen. Der überwiegen-
de Teil der Klient_innen in der Anerkennungsberatung ist weiblich (vgl. Ben-
zer et al. 2016, S.
3). Dies widerspricht zunächst dem weit verbreiteten gesell-
Bildungs- und Berufsberatung in der Migrationsgesellschaft
Pädagogische Perspektiven auf Beratung zur Anerkennung im Ausland erworbener Qualifikationen
- Title
- Bildungs- und Berufsberatung in der Migrationsgesellschaft
- Subtitle
- Pädagogische Perspektiven auf Beratung zur Anerkennung im Ausland erworbener Qualifikationen
- Author
- Birgit Schmidtke
- Publisher
- transcript Verlag
- Location
- Bielefeld
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4485-6
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 252
- Keywords
- Qualifikation, Integration, Bildungsberatung, Berufsberatung, Bildung, Bildungsforschung, Bildungssoziologie, Bildungstheorie, Pädagogik
- Category
- Recht und Politik