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3. Theoretischer Analyserahmen 73
Anerkennung als Merkmal sozialer Integration
Die Theorie der sozialen Desintegration (vgl. Anhut und Heitmeyer 2000;
Kaletta 2008) beschäftigt sich anhand der Anerkennungsdimensionen mit
verschiedenen Formen der Gewalt, welche als Erscheinungen von grup-
penbezogenen menschenfeindlichen Einstellungen interpretiert werden.
Diese Phänomene werden aus einer konflikttheoretischen Perspektive als
Verarbeitungsmuster individueller oder sozialer Desintegrationszustände
analysiert. Integration wird dabei primär nicht als individuelle Leistung ge-
sehen, sondern als Aufgabe der Gesellschaft. Erfolgreiche gesellschaftliche
Integration wird als zufriedenstellende Lösung von drei spezifischen Prob-
lemstellungen auf sozialstruktureller, institutioneller und personaler Ebene
verstanden. Die gelungene Bewältigung der drei Aufgabenstellungen führt
zur Bereitstellung von positionaler, moralischer und emotionaler Anerken-
nung (vgl. Anhut und Heitmeyer 2000, S. 46ff.). Für die vorliegende Arbeit
wird der Fokus auf die Konkretisierungen der Formen sozialer Unterstüt-
zung im Bereich der emotionalen Anerkennung und die Einführung des Be-
griffs der positionalen Anerkennung gerichtet.
Während bei der emotionalen Anerkennung nach Honneth die Anerken-
nung der unverwechselbaren Individualität im Vordergrund steht, wird der
Identitätsbegriff in der Theorie der sozialen Desintegration in die Anerken-
nung der personalen und der kollektiven Identität weiter ausdifferenziert.
Soziale Identität bezieht sich im Unterschied zur personalen Identität auf
Merkmale, die einem Menschen aufgrund der Zugehörigkeit zu einer so-
zialen Gruppe zugeschrieben werden. Demnach wird eine Person aufgrund
bestimmter Merkmale einer Gruppe zugeordnet und diese Zugehörigkeit
wird damit anerkannt. Um diese sozialintegrative Funktion erfüllen zu kön-
nen, muss sich eine Gruppe durch Beständigkeit und Dauerhaftigkeit aus-
zeichnen, was durch einen gemeinsamen kulturellen Hintergrund sichtbar
werden kann. Die emotionale Anerkennung der personalen Identität wird
weiter konkretisiert in die Demonstration von Gefühlen, wie Zuneigung,
Anteilnahme oder Verständnis, und die instrumentelle Unterstützung in
Form von konkreten Leistungen wie Ratschlägen und Hilfestellungen. Auch
hier wird allerdings explizit darauf hingewiesen, dass diese Form der An-
erkennung nicht in professionellen Unterstützungsbeziehungen erfolgen
kann (vgl. Kaletta 2008, S. 48ff.).
Bildungs- und Berufsberatung in der Migrationsgesellschaft
Pädagogische Perspektiven auf Beratung zur Anerkennung im Ausland erworbener Qualifikationen
- Title
- Bildungs- und Berufsberatung in der Migrationsgesellschaft
- Subtitle
- Pädagogische Perspektiven auf Beratung zur Anerkennung im Ausland erworbener Qualifikationen
- Author
- Birgit Schmidtke
- Publisher
- transcript Verlag
- Location
- Bielefeld
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4485-6
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 252
- Keywords
- Qualifikation, Integration, Bildungsberatung, Berufsberatung, Bildung, Bildungsforschung, Bildungssoziologie, Bildungstheorie, Pädagogik
- Category
- Recht und Politik