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3. Theoretischer Analyserahmen 75
nungsdefiziten betroffen sind. Die rechtliche Ungleichbehandlung wird in
Bezug auf die Staatsangehörigkeit, die Zugangsregelungen zum Arbeits-
markt und die formale Anerkennung von Qualifikationen ausdifferenziert.
Dabei weist Sprung in Anlehnung an Kaletta (vgl. 2008, S. 27f.) darauf hin,
dass parallel zu der bei Honneth beschriebenen Erweiterung von Anerken-
nungsverhältnissen auch eine Einschränkung erfolgen kann. Als ein Bei-
spiel dafür werden gesetzliche Entwicklungen in der österreichischen Mi-
grationspolitik genannt, welche die Rechte von Migrant_innen zunehmend
beschränkt haben. Aus einer anerkennungstheoretischen Perspektive kann
demnach die rechtliche Ungleichbehandlung von Migrant_innen in Öster-
reich als verweigerte Anerkennung interpretiert werden (vgl. Sprung 2011,
S. 106ff.).
In den Ergebnissen ihrer Studie wird zudem deutlich, dass Bildungsab-
schlüsse aus Sicht der Interviewpartner_innen auch im nichtreglementier-
ten Bereich des Arbeitsmarktes, wo keine formale Anerkennung notwendig
ist, nicht gleichermaßen verwertbar sind. Diese Erfahrung ist über die Ebe-
ne der rechtlichen Anerkennungsdimension hinaus als eine Dimension ver-
weigerter sozialer Wertschätzung zu betrachten. Ein wesentlicher Faktor für
die Arbeitsmarktpartizipation findet sich in den Interviews in Bezug auf die
Unterscheidung zwischen »Bildungsinländer_innen«, die einen Abschluss
als Migrant_in in Österreich erworben haben, und »Bildungsausländer_in-
nen«, die eine im Ausland erworbene Qualifikation besitzen. Bildungsinlän-
der_innen sind demnach besser in den Arbeitsmarkt integriert und können
auf einen weiteren Handlungsspielraum zurückgreifen. Diese Erkenntnisse
stimmen mit den Ergebnissen der Studie von Neumann (vgl. 2010) überein,
wonach die rechtliche Anerkennung von Qualifikationen nicht ausreicht, um
für Migrant_innen einen gleichberechtigten Zugang zum Arbeitsmarkt zu
gewährleisten. Aus einer anerkennungstheoretischen Perspektive kann die
Anerkennung von Qualifikationen also auch im Hinblick auf die Anerken-
nungsdimension der sozialen Wertschätzung untersucht werden. Dabei
stellt sich die Frage, wie Fähigkeiten, Kompetenzen und Kenntnisse, die in
der Bildungs- und Berufsbiografie erworben wurden, tatsächlich auf dem
österreichischen Arbeitsmarkt unabhängig von der formalen Anerkennung
eingesetzt werden können. In den Interviews wird hier deutlich, dass mit
der Dequalifizierung auch eine Abwertung der damit verbundenen Kompe-
tenzen einhergeht. Rechtliche Anerkennung wird bei Sprung daher in Be-
ziehung zu sozialer Wertschätzung gesetzt. Die Wechselwirkung zwischen
Bildungs- und Berufsberatung in der Migrationsgesellschaft
Pädagogische Perspektiven auf Beratung zur Anerkennung im Ausland erworbener Qualifikationen
- Title
- Bildungs- und Berufsberatung in der Migrationsgesellschaft
- Subtitle
- Pädagogische Perspektiven auf Beratung zur Anerkennung im Ausland erworbener Qualifikationen
- Author
- Birgit Schmidtke
- Publisher
- transcript Verlag
- Location
- Bielefeld
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4485-6
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 252
- Keywords
- Qualifikation, Integration, Bildungsberatung, Berufsberatung, Bildung, Bildungsforschung, Bildungssoziologie, Bildungstheorie, Pädagogik
- Category
- Recht und Politik