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3. Theoretischer Analyserahmen 79
rung von Anerkennung zu reflektieren und mögliche (alternative) Bewälti-
gungsstrategien zu entwickeln. In Anlehnung an diese Erkenntnisse wird
der pädagogische Kontext der Beratungsinteraktion als erste Analyseebene
formuliert. Wichtiger Bestandteil ist hier die Beratungsbeziehung, welche
als ein Anerkennungsverhältnis interpretiert werden kann. Darüber hinaus
können jedoch auch Interaktionen mit weiteren Klient_innen (z.B. in Grup-
penberatungen) Anerkennungserfahrungen ermöglichen.
Die zugeordnete Form der Anerkennung wird in dieser Arbeit als emotio-
nale Anerkennung verstanden. Im Unterschied zu Honneth (vgl. 2014) wird die-
se hier jedoch in Anlehnung an Helsper et al. (vgl. 2005) ausdrücklich als eine
professionelle Form der emotionalen Anerkennung formuliert. Das Anerken-
nungsverhältnis begründet sich damit nicht primär aufgrund des Vertrauens
in die Kontinuität der Beziehung, sondern basiert auf einer professionellen
Beratungsbeziehung. Gerade in der Beratung bildet die zeitliche Begrenzung
der Unterstützungsleistung einen konstitutiven Bestandteil der professio-
nellen Beratungsbeziehung. Emotionale Anerkennung kann hier stattdessen
gleichgesetzt werden mit der wertschätzenden Beratungshaltung des per-
sonenzentrierten Beratungsansatzes nach Rogers (vgl. 1995). Damit wird auf
den Ausführungen von Gröning (vgl. 2011) und Helsper et al. (vgl. 2005) auf-
gebaut, welche im Unterschied zu Honneth pädagogisch Tätige als »relevante
andere« im Bereich der emotionalen Anerkennung auffassen. Die Bedeutung
einer wertschätzenden und empathischen Beratungshaltung wurde bereits in
den beratungstheoretischen Ausführungen insbesondere zum pädagogischen
Beratungsverständnis deutlich. Bei Sprung (vgl. 2011) wurde die Übertragbar-
keit von Anerkennungserfahrungen im pädagogischen Kontext auf andere
gesellschaftliche Teilbereiche kritisch thematisiert. Stojanov (vgl. 2006) stellt
hier mit seiner Beschreibung der kulturell-biografischen Anerkennungsform
als einer Ausdifferenzierung der sozialen Wertschätzung eine mögliche Ver-
bindungslinie her. Er setzt im schulischen Kontext Empathie in Verbindung
zu moralischem Respekt als Antizipation der zukünftigen gesellschaftlichen
Relevanz der individuellen Eigenschaften und Fähigkeiten der Schüler_innen.
Er hebt hervor, dass es diese reflexiven Prozesse der Selbstentwicklung sind,
die zum Anerkennungsgegenstand werden. Damit wird deutlich, dass der
pädagogische Kontext nicht nur im Sinne eines »geschützten Raums« inter-
pretiert wird, sondern sich darüber hinaus auf die gesellschaftliche Teilhabe
und Integration auswirken kann. Wichtig ist hier jedoch nochmals zu betonen,
dass sich der Begriff der Wertschätzung im Unterschied zu Honneth und Sto-
Bildungs- und Berufsberatung in der Migrationsgesellschaft
Pädagogische Perspektiven auf Beratung zur Anerkennung im Ausland erworbener Qualifikationen
- Title
- Bildungs- und Berufsberatung in der Migrationsgesellschaft
- Subtitle
- Pädagogische Perspektiven auf Beratung zur Anerkennung im Ausland erworbener Qualifikationen
- Author
- Birgit Schmidtke
- Publisher
- transcript Verlag
- Location
- Bielefeld
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4485-6
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 252
- Keywords
- Qualifikation, Integration, Bildungsberatung, Berufsberatung, Bildung, Bildungsforschung, Bildungssoziologie, Bildungstheorie, Pädagogik
- Category
- Recht und Politik