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Bildungs- und Berufsberatung in der
Migrationsgesellschaft106
»Im Unterschied zu anderen Formen des offenen Interviews bildet bei Exper-
tInneninterviews nicht die Gesamtperson den Gegenstand der Analyse, d.h.
die Person mit ihren Orientierungen und Einstellungen im Kontext des in-
dividuellen oder kollektiven Lebenszusammenhangs. Der Kontext, um den
es hier geht, ist ein organisatorischer oder institutioneller Zusammenhang,
der mit dem Lebenszusammenhang der darin agierenden Personen gerade
nicht identisch ist und in dem sie nur einen ›Faktor‹ darstellen« (ebd., S. 442,
Herv. i. Orig.).
Während in vielen interpretativen Verfahren das gesamte Interview als Ein-
heit im Mittelpunkt der Analyse steht (z.B. bei biografischen Fallrekonstruk-
tionen), findet hier eine Orientierung an inhaltlich zusammenhängenden
Textpassagen statt, die allerdings über das gesamte Interview verteilt sein
können. Entscheidend für die Auswertung sind daher nicht der Zeitpunkt
und die Reihenfolge der relevanten Ausschnitte im Interview, sondern die
thematische Einordnung und der inhaltliche Zusammenhang.
Die Kategorienbildung als erster Schritt setzt sich aus einer Kombination
von deduktiver und offener Kodierung zusammen. Aus dem theoretischen
Rahmenmodell werden zentrale Konzepte abgeleitet und relevanten Text-
passagen zugeordnet. Diese Systematik wird im Verlauf der Auswertung
um offene Kategorien ergänzt, die aus dem empirischen Material induktiv
gewonnen werden. Während sich die deduktive Kodierung aus dem theore-
tischen Vorwissen ableitet, ermöglicht die induktive Kodierung die Einfüh-
rung von empirisch relevant erscheinenden Kategorien (vgl. Mayring 2015,
S. 67ff.). Kelle und Kluge (vgl. 2010, S. 18ff.) kritisieren die Vorstellung einer
induktiven Theoriebildung im Hinblick auf die Gefahr, theoretische Voran-
nahmen zu vernachlässigen, und verwenden stattdessen die Bezeichnung
der abduktiven Theoriebildung, wodurch die Verbindung von empirischem
und theoretischem Wissen hervorgehoben wird. In Bezug auf die Differen-
zierung zwischen diesen beiden Formen der Kategorienbildung wird hier
auf die unterschiedliche Verwendung der Kategorien verwiesen. Für die
deduktive Kodierung sind die heuristischen Rahmentheorien und Alltags-
konzepte geeigneter, die abduktive Kodierung zielt dagegen auf die Einfüh-
rung von empirisch gehaltvollen Kategorien (vgl. ebd., S.
61ff.). Während des
Prozesses der Kodierung werden die Konzepte ständig weiterentwickelt und
kontinuierlich am empirischen Material gegengeprüft.
Bildungs- und Berufsberatung in der Migrationsgesellschaft
Pädagogische Perspektiven auf Beratung zur Anerkennung im Ausland erworbener Qualifikationen
- Title
- Bildungs- und Berufsberatung in der Migrationsgesellschaft
- Subtitle
- Pädagogische Perspektiven auf Beratung zur Anerkennung im Ausland erworbener Qualifikationen
- Author
- Birgit Schmidtke
- Publisher
- transcript Verlag
- Location
- Bielefeld
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4485-6
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 252
- Keywords
- Qualifikation, Integration, Bildungsberatung, Berufsberatung, Bildung, Bildungsforschung, Bildungssoziologie, Bildungstheorie, Pädagogik
- Category
- Recht und Politik