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nanziellen und zeitlichen Ressourcen. Aus der Perspektive der betroffenen
Klient_innen besteht die Gefahr der Dequalifizierung nicht nur durch einen
negativen Bescheid, sondern bereits durch die Ausgestaltung des formalen
Anerkennungsprozesses. So kann beispielsweise bei Ärzt_innen schon die
Dauer des Anerkennungsverfahrens aufgrund fehlender Möglichkeiten der
Berufsausübung zur fachlichen Dequalifizierung führen. Dadurch erfordert
gerade dieser Bereich der fachlichen Informations- und Wissensvermitt-
lung insbesondere auch nichtfachliche Kompetenzen, um den Beratungs-
prozess entsprechend gestalten zu können.
Ein weiterer Grund für Dequalifizierung bereits aufgrund der Voraus-
setzungen von Anerkennungsverfahren kann die fehlende Übereinstim-
mung mit einem passenden Referenzberuf sein. Im Anerkennungsver-
fahren wird die Gleichwertigkeit von formalen Qualifikationen überprüft.
Voraussetzung hierfür ist ein inländischer Referenzberuf, mit dem die im
Ausland erworbene Qualifikation verglichen wird. Erschwert wird die Suche
nach einem passenden Referenzberuf durch die Unterschiedlichkeit von Bil-
dungssystemen und Berufsbildern. Falls kein passender Referenzberuf ge-
funden wird, besteht bereits die Gefahr der Dequalifizierung, wie in nach-
folgendem Interviewausschnitt deutlich wird:
»[D]ass es wirklich darum geht, um die Anerkennung der Person und ihrer
Qualifikation. Und in der Praxis merken wir doch ganz oft, natürlich ist es für
viele positiv, anerkannt zu werden für diesen deutschen Beruf, aber es fehlt
einfach so diese Möglichkeit, die Qualifikation als solche zu bewerten, ohne
sie in konkreten Bezug auf einen deutschen Beruf zu setzen […] dabei haben
die Leute vielleicht eine viel komplettere Ausbildung gemacht, die aber halt
irgendwie zwei Drittel von dem einen deutschen Beruf hat und ein Drittel
von dem anderen deutschen Berufsbild […]. Aber in der Bewertung kommt
raus, zu dem Referenzberuf, für den man sich entscheidet, fehlt etwas« (I/
DE, Z. 767-784).
In der Anerkennungsberatung wird im Unterschied zu gesetzlichen An-
erkennungsverfahren von den Interviewpartner_innen eine ganzheitliche
Sichtweise beschrieben, welche die beratene Person mit ihrer individuellen
Berufs- und Bildungsbiografie in den Mittelpunkt stellt. Das rechtliche An-
erkennungssystem gründet sich demgegenüber auf einen Vergleich zum
nationalen (Aus-)Bildungssystem und erkennt entsprechend die Überein-
Bildungs- und Berufsberatung in der Migrationsgesellschaft
Pädagogische Perspektiven auf Beratung zur Anerkennung im Ausland erworbener Qualifikationen
- Title
- Bildungs- und Berufsberatung in der Migrationsgesellschaft
- Subtitle
- Pädagogische Perspektiven auf Beratung zur Anerkennung im Ausland erworbener Qualifikationen
- Author
- Birgit Schmidtke
- Publisher
- transcript Verlag
- Location
- Bielefeld
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4485-6
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 252
- Keywords
- Qualifikation, Integration, Bildungsberatung, Berufsberatung, Bildung, Bildungsforschung, Bildungssoziologie, Bildungstheorie, Pädagogik
- Category
- Recht und Politik