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5. Ergebnisse 173
stimmung der im Ausland erworbenen Qualifikation mit einem vergleich-
baren Referenzberuf an. Die interviewte Person hebt in diesem Zusammen-
hang hervor, dass Dequalifizierung nicht nur aufgrund der Unterschiede
zwischen den Bildungssystemen entstehen kann, sondern auch aufgrund
unterschiedlicher Spezialisierungen. Zur Verdeutlichung zieht sie in diesem
Interview die Schwierigkeit von fehlenden Referenzberufen in den Nachbar-
ländern Deutschland und Österreich heran.
»[S]elbst wenn die Leute aus Österreich kommen, da gibts zwar dieses Ab-
kommen einerseits, aber gilt nicht für alle Berufe. Hätte man einen Rauch-
fangkehrer in der Beratung, der könnte hier in Deutschland nicht als
Schornsteinfeger arbeiten, also nicht vollwertig anerkannt. Oder auch Erzie-
her_innenausbildung, Erzieher_in ist zwar reglementiert, aber da ist natür-
lich immer, in Deutschland ist Erzieher_in ja von null bis achtzehn zuständig
und das ist dann immer so ein bisschen absurd, wenn man dann Leuten sagt,
die eine hochspezialisierte Ausbildung für den Kindergarten haben für die
Arbeit mit Null- bis Sechsjährigen, wenn man ihnen sagt: ›Na ja, das kann
nicht anerkannt werden, Sie müssen erst nochmal nachholen die Arbeit mit
irgendwie Vierzehn- bis Achtzehnjährigen schwer erziehbaren Jugendli-
chen.‹ Dann machen sie das, also müssen sie das nachholen, damit sie dann
im Kindergarten arbeiten […]. Und psychologisch löst das natürlich trotzdem
irgendwie dann immer aus, ja, so richtig ernst nehmen die unsere Ausbil-
dung nicht« (I/DE, Z. 787-812).
Anerkennungsverfahren prüfen die Gleichwertigkeit von formalen Qualifi-
kationen und nicht die notwendigen Voraussetzungen, um einen bestimm-
ten Beruf auszuüben. Die Verfahren können daher nur ähnliche Qualifika-
tionen berücksichtigen und sind »gegenüber unbekannten Qualifikationen
systematisch blind« (Kirilova et al. 2016, S. 12). Die interviewte Person ver-
deutlicht hier am Beispiel eines pädagogischen Tätigkeitsfeldes die damit
verbundene Schwierigkeit, die rechtlichen Bedingungen des Anerkennungs-
verfahrens mit den Zielsetzungen und Ressourcen der Klient_innen zu ver-
binden. Der Widerspruch und das Spannungsfeld zwischen dem beruflichen
Selbstverständnis und den rechtlichen Rahmenbedingungen können damit
auch auf die unterschiedlichen Voraussetzungen von rechtlichen Anerken-
nungsverfahren und der Anerkennungsberatung zurückgeführt werden.
Bildungs- und Berufsberatung in der Migrationsgesellschaft
Pädagogische Perspektiven auf Beratung zur Anerkennung im Ausland erworbener Qualifikationen
- Title
- Bildungs- und Berufsberatung in der Migrationsgesellschaft
- Subtitle
- Pädagogische Perspektiven auf Beratung zur Anerkennung im Ausland erworbener Qualifikationen
- Author
- Birgit Schmidtke
- Publisher
- transcript Verlag
- Location
- Bielefeld
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4485-6
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 252
- Keywords
- Qualifikation, Integration, Bildungsberatung, Berufsberatung, Bildung, Bildungsforschung, Bildungssoziologie, Bildungstheorie, Pädagogik
- Category
- Recht und Politik