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Umwelt in Gesellschaft, Politik & Recht 3
in Naturzusammenhängen als mit zu berücksichtigendes Handlungsmotiv in die Be-
urteilung von Handlungsmaximen eingehen – zumindest auf der subjektbezogenen
Ebene. Offen oder unklar bliebe allerdings, wie wir zu allgemeingültigen ethischen
Forderungen oder gar zu konkreten Gesetzen kommen können, die auf allgemein
akzeptierten moralischen Überlegungen basieren.
Die dritte Formulierung des Kategorischen Imperativs als Menschheitsgesetz könnte in
den Bereichen zum Zuge kommen, in denen wir den Eindruck haben müssen, dass die
Menschenwürde bei umweltrelevantem Handeln verletzt wird (z.B. Einbringung umwelt-
und gesundheitsgefährdender Stoffe in die Natur, exzessive Mineraliengewinnung durch
Menschen und die Natur gefährdende Abbauprozeduren wie bei größeren, offenbar
billigend in Kauf genommenen Minenunglücken in Brasilien 2015 und 2019 erlebt).
3.1.3 Verantwortungsethik und neuer Imperativ (Hans Jonas)
Hans Jonas (1903–1993) hat 1979, als über 75-Jähriger, ein Buch vorgelegt, das in der
Debatte über die ökologische Krise Furore machte: „Das Prinzip Verantwortung –
Versuch einer Ethik für die technologische Zivilisation“. Jonas glaubte nicht, dass
die traditionelle Ethik mit den Herausforderungen in der wissenschaftlich-technischen
Welt, in der wir leben, angemessen umgehen kann. Kennzeichen der neuen Situation
(Jonas 1979, S. 15ff.) sind: die „beispielslose Reichweite“ menschlicher Handlungen
„in die Zukunft“, die „räumliche Ausbreitung und Zeitlänge der Kausalreihen“ über
die „Nahsphäre hinaus“, der „irreversible“ Charakter von Veränderungen sowie eine
„kritische Verletzlichkeit der Natur durch die technische Intervention des Menschen“ –
bis an die Toleranzgrenzen der Natur. Die Menschheit tritt als „kollektiver Täter“ auf,
und „individuelle Taten“ sind nicht mehr wirklich zurechenbar (Jonas 1979, S. 32).
Dies ist eines der zentralen Argumente, warum die traditionelle, auf das individuelle
Tun abzielende Ethik laut Jonas nicht mehr zureichend ist.
Als Konsequenz wird eine neue Moralität eingefordert: „Neuartige Vermögen des Han-
delns [erfordern] neue Regeln der Ethik und vielleicht sogar eine neuartige Ethik“
(Jonas 1979, S. 58). Den Kern einer neuen Ethik soll ein „neuer Imperativ“ bilden. Bei
Kant wurde der kategorische Imperativ noch „zur Probe … private[r] Wahl“, so Jonas
(1979, S. 57). Nun müsse es aber um weit mehr gehen. Wir dürften zwar unser eigenes
Leben wagen, nicht aber das der Menschheit. Es geht nun um „Handlungen des
kollektiven Ganzen“ – bzw. um Handlungen, die das kollektive Ganze betreffen.
Jonas (1979, S. 36) stellt seinen neuen Imperativ ähnlich wie Kant in mehreren
Alternativformulierungen auf:
„Handle so, dass die Wirkungen deiner Handlung verträglich sind mit der
Permanenz echten menschlichen Lebens auf Erden;
Umwelt- und Bioressourcenmanagement für eine nachhaltige Zukunftsgestaltung
- Title
- Umwelt- und Bioressourcenmanagement für eine nachhaltige Zukunftsgestaltung
- Authors
- Erwin Schmid
- Tobias Pröll
- Publisher
- Springer Spektrum
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- ISBN
- 978-3-662-60435-9
- Size
- 17.3 x 24.6 cm
- Pages
- 288
- Keywords
- Umweltmanagement, Bioressourcen, Nachhaltigkeit, Sustainability, Universität für Bodenkultur
- Categories
- Naturwissenschaften Umwelt und Klima