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3 Umwelt in Gesellschaft, Politik & Recht
zersetztem Pflanzenmaterial, das unter Luftabschluss erhalten bleibt, solange der Moor-
boden mit Wasser gefüllt ist. Leitet man das Wasser ab, zersetzen auf Sauerstoff ange-
wiesene Mikroorganismen die Pflanzenreste. Dadurch wurde der Boden fruchtbarer.
Das hatte aber auch Nebenwirkungen, weil das zersetzte Material viel weniger Platz
braucht. Die trockengelegten Torfmoore sanken in sich zusammen, das Land sackte
ab und war zunehmend von Überflutung bedroht (TeBrake 2002; Van Dam 2001).
Diese Nebenwirkung führte zur nächsten Intervention. Die Niederländer bauten
Deiche, um das neue Ackerland vor Sturmfluten zu schützen. Deichgenossenschaften
warteten diese Infrastrukturen. Das klappte hervorragend und beförderte wohl auch
die Demokratie im Land. Doch die Absenkung ging hinter den Deichen weiter. In vie-
len Gegenden sank das Land bis zum Grundwasserspiegel. Wollte man eine sekundäre
Vernässung verhindern, musste das Wasser abgepumpt werden, um Ackerland und
Weiden zu erhalten. Auch hier erwiesen sich die Niederländer als kreativ im Umgang
mit den Nebenwirkungen ihrer Innovationen. Die Windmühlen, für die Holland be-
rühmt ist, pumpen das Wasser ab. Pumpt man aber das Süßwasser in einem küsten-
nahen Gebiet ständig ab, dringt irgendwann Salzwasser über den Untergrund ein.
In den Niederlanden ist das an einigen Stellen bereits passiert. Die ersten Entwässe-
rungsgräben wurden um 1200 angelegt. Seit mehr als 800 Jahren ist man also in
den Niederlanden mit der Beherrschung der Nebenwirkungen eines einzigen Ein-
griffs, der Trockenlegung der Moore, beschäftigt (TeBrake 2002; Van Dam 2001).
Solche „Risikospiralen“ findet man an vielen Orten und in vielen Zusammenhängen.
Flussregulierungen schützen einen Ort vor Hochwasser, weil sie es woandershin
verlagern. Staudämme verändern nicht nur den Grundwasserspiegel, anders als man
gedacht hätte, sondern auch den Feststofftransport in den Flüssen. Nach den Ölpreis-
schocks 1973 und 1979 sahen viele Regierungen Kernkraftwerke als eine Möglich-
keit, die gefährliche Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu vermindern. Aller-
dings ist bis heute das Problem der Endlagerung radioaktiver Abfälle aus solchen
Kraftwerken ungelöst (Winiwarter 2013).
Die Zeit der industriellen Revolution hat Umwelthistorikerinnen und -historiker
stark beschäftigt, weil hier die Nebenwirkungen menschlicher Handlungen auf die
Natur besonders auffällig wurden. Die heutige industrielle Lebensweise ist durch
Güter gekennzeichnet, bei deren Herstellung und Gebrauch es zur Verschmutzung
von Boden, Wasser und Luft kommt. Während der ersten Phase der Industrialisierung
wurden die Produktionszentren verschmutzt. Das Wort Smog (smoke & fog) wurde
zur Beschreibung der dicken Londoner Luft kreiert, die durch Abgase von Produk-
tionsbetrieben entstand (Brimblecombe 1987). Seit der Transformation zur Konsum-
gesellschaft in den 1950er-Jahren führt nicht nur die Produktion, sondern auch der
Umwelt- und Bioressourcenmanagement für eine nachhaltige Zukunftsgestaltung
- Title
- Umwelt- und Bioressourcenmanagement für eine nachhaltige Zukunftsgestaltung
- Authors
- Erwin Schmid
- Tobias Pröll
- Publisher
- Springer Spektrum
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- ISBN
- 978-3-662-60435-9
- Size
- 17.3 x 24.6 cm
- Pages
- 288
- Keywords
- Umweltmanagement, Bioressourcen, Nachhaltigkeit, Sustainability, Universität für Bodenkultur
- Categories
- Naturwissenschaften Umwelt und Klima