Page - 87 - in Umwelt- und Bioressourcenmanagement für eine nachhaltige Zukunftsgestaltung
Image of the Page - 87 -
Text of the Page - 87 -
87
Umwelt in Gesellschaft, Politik & Recht 3
Gebrauch von Gütern zu weit gestreuter Verschmutzung. Auch diese Entwicklung lässt
sich als Risikospirale erzählen (Winiwarter 2013). Doch es geht nicht nur um Güter.
In den Industriestaaten dominiert der tertiäre Sektor die Ökonomie. Die Wertschöp-
fung stammt zu einem Gutteil aus Dienstleistungen. Im Tourismusland Österreich
drehen sich auch dienstleistungsgetriebene Risikospiralen, allen voran jene des Winter-
tourismus. Sie wurde zu Beginn der 1950er-Jahre, als fossile Energie im Verhältnis
zu anderen Gütern relativ billiger wurde, durch das größte Wiederaufbauprogramm
der Geschichte, den Marshallplan, in Gang gesetzt. Österreich förderte damit im Ein-
klang mit dem Geberland USA den Bau von Skiliften und anderen Wintersport-
einrichtungen. Billige Kredite lockten Investorinnen und Investoren, die die Her-
ausforderungen der alpinen Natur oft unterschätzten. Bau- und Erhaltungskosten
überstiegen die geplanten Summen deutlich. In den 1970er-Jahren gab es in Öster-
reich keinen einzigen Skiliftbetrieb, der schwarze Zahlen geschrieben hätte. Viele
waren stark verschuldet. Schon des Zinsendienstes wegen mussten sie jährlich ihre
Umsätze und Gewinne steigern. Wachstum war alternativlos, aber nur möglich auf
Kosten anderer Destinationen. Ein erbitterter Konkurrenzkampf führte zunächst v.a.
zur Steigerung der Geschwindigkeiten und der Transportkapazitäten der Lifte. Die
Konkurrenzfähigkeit wurde mit massiven Investitionen erkauft. Die Schuldenspirale
drehte sich weiter. Die Pisten wurden voller und voller, weil mehr Personen je Zeit-
einheit an den Bergstationen ausstiegen. Eine Ausweitung der Pistenflächen war nur
begrenzt möglich, aus naturräumlichen wie gesellschaftlichen Gründen. Also ging man
an die Ausweitung der Zeit, in der die Pisten befahrbar waren. Der Rasenskilauf im
Sommer scheiterte schnell. Flutlichtanlagen machten die Nacht zum Tag, waren aber
nur beschränkt ausbaufähig. Pistenraupen stellten problemlos schnell befahrbare
Oberflächen her. Das Schneemanagement wurde von Jahr zu Jahr perfekter. Die
Schneekanone machte die Wintersportorte unabhängiger vom Wetter, denn Schnee-
mangel konnte ein Gebiet voller teurer, fremdfinanzierter Infrastruktur schnell in
den Ruin treiben. Schnee wurde zur teuren Ware. Um mit ihr sparsamer umzugehen,
wurden die Pisten von Senken und Hügeln befreit, um den Preis höherer Erosion
im Sommer. Die Pistenbegrünung ist inzwischen entsprechend perfektioniert, mit
Folgen für lokale Tier- und Pflanzenwelten. Kunstschnee braucht Wasser, das im
Sommer in Speicherteichen gesammelt wird und daher der lokalen Landschaft ent-
zogen wird – mit unabsehbaren Langzeitfolgen für die Ökosysteme, die gerade in den
Alpen durch den Klimawandel bereits unter Stress stehen. In den teuersten Skiorten
werden inzwischen Kühlschlangen im Boden verlegt, um die kostbare weiße Pracht
möglichst lange zu erhalten. Jeder Schritt, vom Ausbau der Skilifte, um der Abwan-
derung und der Armut zu begegnen, bis hin zur Piste mit Outdoorkühlschrank
war eine erfolgreiche Intervention in natürliche Systeme. Jeder Schritt hatte Neben-
wirkungen, die wiederum Eingriffe erforderten. Ein Ende ist nicht abzusehen. Vom
Umwelt- und Bioressourcenmanagement für eine nachhaltige Zukunftsgestaltung
- Title
- Umwelt- und Bioressourcenmanagement für eine nachhaltige Zukunftsgestaltung
- Authors
- Erwin Schmid
- Tobias Pröll
- Publisher
- Springer Spektrum
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- ISBN
- 978-3-662-60435-9
- Size
- 17.3 x 24.6 cm
- Pages
- 288
- Keywords
- Umweltmanagement, Bioressourcen, Nachhaltigkeit, Sustainability, Universität für Bodenkultur
- Categories
- Naturwissenschaften Umwelt und Klima