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Umwelt in Gesellschaft, Politik & Recht 3
Vinylfliesen und einigen Zementrohren. Dies, obwohl völlig zweifelsfrei feststeht, dass Asbest
genotoxisch und krebserregend ist, dass eine Krebsart, das Pleuramesotheliom, ausschließlich durch
Asbest entsteht. Wieso ist es möglich, ein so gefährliches Material weiterhin abzubauen und zu ver-
wenden? Das liegt an den langen Latenzzeiten. Asbestose wird erst nach 10 –30 Jahren symptoma-
tisch. Das Mesotheliom tritt erst nach etwa 40 Jahren auf. Das heißt, dass die gesundheitlichen Schäden
durch Asbest in den nächsten Jahrzehnten ansteigen werden. Ein Asbestverbot in den Niederlanden
schon im Jahre 1965 statt erst 1993 hätte 34.000 Todesfälle verhindert.
Gerade für Umweltbelastungen, die sich erst nach langer Latenzzeit bemerkbar machen,
ist das Lernen aus frühen Erfahrungen entscheidend. Darin liegt ein konkreter Bei-
trag der Umweltgeschichte zu SDG 3 (Gesundheit), aber auch SDG 12 (verant-
wortliche Produktion) und SDG 5 (Gendergerechtigkeit) sind angesprochen.
3.4.7 Altlasten und Ewigkeitskosten
Wer das Wort „Altlasten“ hört, denkt vielleicht an Endlager für abgebrannte Brenn-
stäbe von Atomkraftwerken. Doch der Begriff umfasst alle Überreste von industriel-
len Aktivitäten, die im Boden verblieben sind und eine mögliche Gefahr etwa für
das Grundwasser darstellen. Besonders aufwendig ist der Umgang mit Bergbauver-
mächtnissen. Eine große Altlast ist der ehemalige Kohlebergbau im dicht besiedel-
ten deutschen Ruhrgebiet. Fast die Hälfte des Ruhrgebiets liegt heute etliche Meter
unter dem Grundwasserspiegel. Mehr als 100 Pumpwerke müssen dauerhaft laufen.
Das Wasser wird in die eingedeichte Emscher gepumpt. Solange das Ruhrgebiet be-
wohnbar bleiben soll, ist das Abpumpen großer Wassermengen und die Sicherung
von Stollenanlagen auf „ewig“ nötig. Dafür sind zu derzeitigen Kostensätzen 220
Mio. Euro pro Jahr als „Ewigkeitskosten“ zu budgetieren (RAG 2016). Doch das ist
nur eine der vielen Altlasten, die die Optionen künftiger Generationen einschränken.
Die meisten Altlasten entstanden ab der Industrialisierung des 19. Jahrhunderts, ver-
mehrt seit der „Großen Beschleunigung“ (Great Acceleration) nach dem Zweiten
Weltkrieg mit dem Umstieg auf Erdöl und Erdgas als Schlüsselenergieträger. Das dafür
nötige globale Energieversorgungssystem ist das größte jemals errichtete technische In-
frastrukturnetzwerk (Seto et al. 2016). Es überzieht die gesamte Erde, umfasst u.a.
Förderstellen offshore und onshore, Pipelines, Raffinerien, Kraftwerke und Tankstellen.
All das sind (potenzielle) Altlasten, die auf lange Zeit überwacht und gesichert werden
müssen. Viele nukleare Altlasten gehen auf das Wettrüsten im „Kalten Krieg“ zwischen
den damaligen Supermächten USA und UdSSR zurück. Uranabbaustätten, Atom-
waffenfabriken und Bombenversuchsgelände sind über die ganze Welt verstreut, in
den Wüsten Nordamerikas ebenso wie in den Steppen Zentralasiens oder auf Inseln
im Pazifik. Dazu kommen deutlich ältere Altlasten v.a. aus dem Bergbau, die oft durch
europäischen Kolonialismus entstanden. In Huancavelica in Peru etwa beutete die
Umwelt- und Bioressourcenmanagement für eine nachhaltige Zukunftsgestaltung
- Title
- Umwelt- und Bioressourcenmanagement für eine nachhaltige Zukunftsgestaltung
- Authors
- Erwin Schmid
- Tobias Pröll
- Publisher
- Springer Spektrum
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- ISBN
- 978-3-662-60435-9
- Size
- 17.3 x 24.6 cm
- Pages
- 288
- Keywords
- Umweltmanagement, Bioressourcen, Nachhaltigkeit, Sustainability, Universität für Bodenkultur
- Categories
- Naturwissenschaften Umwelt und Klima