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mich Beziehungsreiche Deines Verhältnisses zu ihr hast Du in einem für uns
klassisch gewordenen, fast gotteslästerlichen, aber gerade für die Unschuld in
Deiner Menschenbehandlung sehr beweisenden Satz zusammengefaßt: »Die
Gottselige hat mir viel Schweinerei hinterlassen.«
Ich könnte noch weitere Kreise Deines Einflusses und des Kampfes gegen
ihn beschreiben, doch käme ich hier schon ins Unsichere und müßte
konstruieren, außerdem wirst Du ja, je weiter Du von Geschäft und Familie
Dich entfernst, seit jeher desto freundlicher, nachgiebiger, höflicher,
rücksichtsvoller, teilnehmender (ich meine auch äußerlich) ebenso wie ja zum
Beispiel auch ein Selbstherrscher, wenn er einmal außerhalb der Grenzen
seines Landes ist, keinen Grund hat, noch immer tyrannisch zu sein, und sich
gutmütig auch mit den niedrigsten Leuten einlassen kann. Tatsächlich
standest Du zum Beispiel auf den Gruppenbildern aus Franzensbad immer so
groß und fröhlich zwischen den kleinen mürrischen Leuten, wie ein König auf
Reisen. Davon hätten allerdings auch die Kinder ihren Vorteil haben können,
nur hätten sie schon, was unmöglich war, in der Kinderzeit fähig sein müssen,
das zu erkennen, und ich zum Beispiel hätte nicht immerfort gewissermaßen
im innersten, strengsten, zuschnürenden Ring Deines Einflusses wohnen
dürfen, wie ich es ja wirklich getan habe.
Ich verlor dadurch nicht nur den Familiensinn, wie Du sagst, im Gegenteil,
eher hatte ich noch Sinn für die Familie, allerdings hauptsächlich negativ für
die (natürlich nie zu beendigende) innere Ablösung von Dir. Die Beziehungen
zu den Menschen außerhalb der Familie litten aber durch Deinen Einfluß
womöglich noch mehr. Du bist durchaus im Irrtum, wenn Du glaubst, für die
anderen Menschen tue ich aus Liebe und Treue alles, für Dich und die Familie
aus Kälte und Verrat nichts. Ich wiederhole zum zehntenmal: ich wäre
wahrscheinlich auch sonst ein menschenscheuer, ängstlicher Mensch
geworden, aber von da ist noch ein langer, dunkler Weg dorthin, wohin ich
wirklich gekommen bin. (Bisher habe ich in diesem Brief verhältnismäßig
weniges absichtlich verschwiegen, jetzt und später werde ich aber einiges
verschweigen müssen, was – vor Dir und mir – einzugestehen, mir noch zu
schwer ist. Ich sage das deshalb, damit Du, wenn das Gesamtbild hie und da
etwas undeutlich werden sollte, nicht glaubst, daß Mangel an Beweisen daran
schuld ist, es sind vielmehr Beweise da, die das Bild unerträglich kraß
machen könnten. Es ist nicht leicht, darin eine Mitte zu finden.) Hier genügt
es übrigens, an Früheres zu erinnern: Ich hatte vor Dir das Selbstvertrauen
verloren, dafür ein grenzenloses Schuldbewußtsein eingetauscht. (In
Erinnerung an diese Grenzenlosigkeit schrieb ich von jemandem einmal
richtig: »Er fürchtet, die Scham werde ihn noch überleben.«) Ich konnte mich
nicht plötzlich verwandeln, wenn ich mit anderen Menschen zusammenkam,
ich kam vielmehr ihnen gegenüber noch in tieferes Schuldbewußtsein, denn
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Briefe an den Vater
- Title
- Briefe an den Vater
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1919
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 40
- Categories
- Weiteres Belletristik