Page - 27 - in Bühne und Kostüme
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bei aller Liebe der Grazer*innen zum Schauspielhaus in der mitte
der wunderschönen und denkmalgeschützten Altstadt wird nie-
mand verhehlen können, dass das schöne haus architektonisch
merkwürdig verdreht zum offenen Freiheitsplatz steht. Der Thea-
tereingang ins Foyer zur großen bühne (hAuS einS) ist zugleich
der Aufgang in die kleinste Spielstätte (hAuS Drei). beide zu-
gänge sind in die Enge der Hofgasse unter tiefliegende Arkaden
gezwängt und wirken wenig einladend. eine Schranke rechts da-
neben wiederum lädt auf einen „unattraktiven“ Parkplatz ein und
bildet somit sehr versteckt das entrée zum bühneneingang und
darüber durch büroräume den weg zur mittelgroßen Spielstät-
te (hAuS zwei). Die Theaterliebhaber*innen müssen gut infor-
miert oder gewieft sein, um die jeweiligen zugänge überhaupt zu
finden, um sie lustvoll betreten zu können. Ganz zu schweigen
von den technischen, organisatorischen und künstlerischen Pro-
blemen, die sich durch diese nichtanbindung
der Spielstätten intern ergeben.
im Fokus der Studierenden von Petra Simon
und elemer Ploder stand somit sehr nachvoll-
ziehbar im wintersemester 2019/20 der neu-
bau der ehemaligen Probebühne, jetzt mittelgroßen Spielstätte
(hAuS zwei) des Schauspielhauses. manchmal bedarf es eben
eines „Auges von außen“, um die missstände in neu konzipierten
bauentwürfen zu überwinden und vielleicht sogar in eine reale
zukunft zu überführen.
Der Kurs „entwerfen 3 — bühne & Kostüme“ ist die jüngste zu-
sammenarbeit mit dem institut für bauen im bestand und Denk-
malpflege der TU Graz, und wusste überzeugend zu vermitteln,
welches Potenzial im Schauspielhaus schlummert, auch um viel-
leicht einmal ein attraktiver „place to be“, über die Abendbespie-
lung hinaus, zu werden.
Lockt hAuS zwei doch ein äußerst diverses, junges Publikum
ins Schauspielhaus und ist mit jährlich rund 130 vorstellungen und
einer Auslastung von mehr als 90 Prozent nicht nur sehr beliebt, son-
dern in höchstem maße leistungsfähig. hAuS zwei bringt immer
wieder international anerkannte Produktionen hervor, wie zahlreiche
einladungen zu renommierten Festivals und Gastspiele beweisen. Diese Tatsachen finden jedoch derzeit keine Entsprechung in
der Architektur des hauses. nüchtern betrachtet ist die vormalige
„Probebühne“ weder eine Probebühne — hier finden wegen des
umfangreichen repertoirebetriebes ausschließlich endproben
statt — noch eine vollgültige Spielstätte, da sie ursprünglich nicht
für den repertoirebetrieb konzipiert wurde, sondern ein Proviso-
rium, das sich über Jahrzehnte verstetigt hat und schon lange an
der Grenze seiner Kapazität, respektive über die Grenzen seiner
Kapazität hinaus genutzt wird. und wie gesagt: Die zeitgenössi-
schen Inhalte, die neue und internationale Dramatik finden hier in
keiner weise eine architektonische entsprechung.
Durch den Kurs „entwerfen 3 — bühne & Kostüme“ des Studien-
ganges Architektur der Tu Graz liegen jetzt mehr als ein Dutzend
inspirierte und inspirierende Konzepte dafür bereit, der rolle,
die der neuen Dramatik im Spielplan des Schauspielhauses zu-
kommt, auch architektonisch Ausdruck sowie
größere gesellschaftliche wahrnehmung zu
verleihen und darüber hinaus die Leistungs-
fähigkeit der Spielstätte noch einmal erheb-
lich zu steigern. es ist dem klaren, aber zuge-
wandten Außenblick von Petra Simon, elemer Ploder und ihren
Studierenden zu verdanken, dass sich der Fokus auf das Provi-
sorium hAuS zwei für uns nachhaltig geschärft und sich eine
echte Perspektive für einen neubau ergeben hat!
zwischen Theater und Architektur lassen sich einige Parallelen
ablesen und Zusammenhänge finden. Katharina Belwe bestätigt
diese Ansicht mit ihrer These: „Architektur ist Ausdruck gesell-
schaftlicher entwicklung: Gebauter raum verkörpert die ökono-
mischen, sozialen und kulturellen, auch geschlechterpolitischen
Spezifika der jeweiligen gesellschaftlichen Epoche“.
wo sollte das besser ablesbar sein als einem Gebäude des le-
bendigen Spiels?
iris Laufenberg
Geschäftsführende intendantin Schauspielhaus Graz
(...) manchmal bedarf es eben eines „Auges von
außen“, um die missstände in neu konzipierten
bauentwürfen zu überwinden und vielleicht sogar
in eine reale zukunft zu überführen.
Aus der Sicht der intendantin
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Bühne und Kostüme
- Title
- Bühne und Kostüme
- Editor
- Petra Simon
- Elemer Ploder
- Martina Thaller
- Publisher
- Verlag der Technischen Universität Graz
- Location
- Graz
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-85125-763-2
- Size
- 24.0 x 24.0 cm
- Pages
- 124
- Category
- Kunst und Kultur