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Coaching von Wissenschaftler*innen im Kontext der Digitalisierung 123
ohne Weiteres vereinbar sind. Hinzu kommen häufige »Wissens-Gaps«, sodass
zum Beispiel die Forscher*innen der Fachdisziplinen nicht notwendigerweise
verstehen, was die »Daten-Spezialist*innen« möchten und umgekehrt. Das
Nicht-Verstehen zieht häufig Hierarchisierungs- und Abwertungsprozesse nach
sich, indem diejenigen, die nicht verstehen oder nicht verstanden werden, als –
im Vergleich zur eigenen Disziplin – weniger gute Wissenschaftler*innen wahr-
genommen werden. Datenauswertung und -aufbereitung werden traditionell
oft als »Hilfswissenschaft« verstanden, was insbesondere bei der Entwicklung
und Anwendung digitaler Methoden der Realität nicht mehr angemessen ist.
Würde der »Wissens-Gap« bei der Planung der interdisziplinären Projekte
berücksichtigt, müsste es zu Beginn eine (vermutlich längere) Phase der »Ver-
ständigung« geben, in der eine Einigung auf die gemeinsame wissenschaftliche
(Verständnis-)Basis erfolgt. Die Förderintervalle lassen dies jedoch oft nicht zu.
So entsteht ein enormer Druck im Projekt, der im Fall des promovierenden B.
zum Scheitern des Projekts führen könnte, ohne dass dies in seiner Eignung
für das Projekt oder seiner wissenschaftlichen Expertise begründet wäre. Viel-
mehr ist das Problem dem Konflikt zwischen »vordigitalen« wissenschaftlichen
Evaluierungsprozeduren und neuen Anforderungen geschuldet.
Ergebnisse aus dem Coaching
Im Einzelcoaching wurde sehr schnell deutlich, dass hier die Coachin als
Ansprechperson, mit der face-to-face gearbeitet wurde, der empfundenen perso-
nellen und fachlichen Isolation positiv entgegenwirken konnte. Die unmittelbare
emotionale Resonanz auf die vom Klienten erlebte konflikthafte Promotions-
situation machte es für ihn möglich, im Coaching Unsicherheiten zu formu-
lieren und Kommunikationsstrategien für die Auseinandersetzung mit seiner
Betreuerin zu entwickeln. Die Entscheidung, wo publiziert wird, hat massive
Auswirkung auf die Positionierung des Physikers im Forschungsgebiet und
damit auf seinen Karriereverlauf.
Darüber hinaus entstand (auf Initiative von B. und nach Klärung der Impli-
kationen bei Durchführung durch die gleiche Coachin) aus dem Einzelcoaching
ein Teamcoaching, in dem es möglich wurde, die differenten Forschungsansätze
und ihre Hierarchisierung zu thematisieren und die Problematik nicht mehr in
der Leistungsfähigkeit einzelner Akteur*innen zu verorten, sondern auf einer
organisationssystemischen2 Projektebene anzugehen.
2 »Organisationssystemisch« bedeutet hier, dass die besonderen Bedingungen der Organisations-
form »interdisziplinäres Projekt« und dessen Wechsel- und Auswirkungen mit den/auf die
darin arbeitenden Personen betrachtet werden.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY-NC-ND 4.0
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Coaching im digitalen Wandel
- Title
- Coaching im digitalen Wandel
- Editor
- Robert Wegener
- Silvano Ackermann
- Jeremias Amstutz
- Silvia Deplazes
- Hansjörg Künzli
- Annamarie Ryter
- Publisher
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Date
- 2020
- Language
- German, English
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-40742-0
- Size
- 15.5 x 23.2 cm
- Pages
- 166
- Category
- Technik