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Die Ad-hoc-Empfehlung des Deutschen Ethikrats
zur Corona-Pandemie
Eberhard Schockenhoff †
Nur wenige Wochen nach dem Inkrafttreten der von den staatlichen Stel-
len beschlossenen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie
am 27. März 2020 veröffentlichte der Deutsche Ethikrat (DER) eine aus-
führliche Stellungnahme zu den ethischen Bedingungen, unter denen die
von der Regierung verfügten Maßnahmen, die mit schwerwiegenden
Grundrechtseingriffen und Belastungen für die Bevölkerung verbunden
sind, ethisch gerechtfertigt erscheinen. Zum Zeitpunkt der Publikation
der Empfehlungen des Ethikrates lagen bereits ähnliche Stellungnahmen
von ausländischen und inländischen medizinischen Fachgesellschaften
vor, von denen sich die Überlegungen des Ethikrates teilweise deutlich ab-
heben. Die Stellungnahme erörtert drei unterschiedliche Fragekomplexe,
in denen neben der Beantwortung naturwissenschaftlicher (virologischer,
endemiologischer und intensivmedizinischer) Aspekte auch rechtliche und
ethische Überlegungen anzustellen sind.
Dezidiert lehnt es der DER ab, die Bekämpfung der Pandemie allein an
die Wissenschaft zu delegieren. Es wäre nicht nur eine Überforderung na-
turwissenschaftlicher Erkenntnisse über die Entstehung und den voraus-
sichtlichen Verlauf einer Pandemie, wollte man daraus konkrete Hand-
lungsanweisungen zu ihrer Bekämpfung ableiten. Diese müssen zwar aus
naturwissenschaftlicher Sicht begründet und angemessen sein, doch wider-
spräche es dem Grundgedanken demokratischer Legitimation, weitrei-
chende politische Entscheidungen, die das gesellschaftliche Leben auf lan-
ge Sicht verändern, in abgeschotteten Zirkeln wissenschaftlicher Politikbe-
ratung mit unklaren Verantwortungsstrukturen zu fällen. Deshalb wieder-
holt der Ethikrat am Schluss nochmals die Eingangsthese seiner Ermah-
nung, dass die Spielregeln politischer Entscheidungsfindungen durch das
Zusammenspiel der Verfassungsorgane einer repräsentativen Demokratie
auch in Zeiten der Corona-Krise nicht außer Kraft gesetzt werden dürfen.
„Gerade schmerzhafte Entscheidungen müssen von den Organen getroffen
werden, die hierfür durch das Volk mandatiert sind und dementsprechend
auch in politischer Verantwortung stehen. Die Corona-Krise ist die Stunde
der demokratisch legitimierten Politik.“ (S.7) Zum Zeitpunkt der Veröf-
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https://doi.org/10.5771/9783748910589, am 02.10.2020, 10:33:08
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
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Die Corona-Pandemie
Ethische, gesellschaftliche und theologische Reflexionen einer Krise
- Title
- Die Corona-Pandemie
- Subtitle
- Ethische, gesellschaftliche und theologische Reflexionen einer Krise
- Authors
- Wolfgang Kröll
- Johann Platzer
- Hans-Walter Ruckenbauer
- Editor
- Walter Schaupp
- Publisher
- Nomos Verlagsgesellschaft
- Location
- Baden-Baden
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-1058-9
- Size
- 15.3 x 22.7 cm
- Pages
- 448
- Keywords
- Philosophie, Theologie, Gesellschaft, Gesundheitssystem, Biopolitik, Menschenwürde, Bioethik, Intensivmedizin, Gesundheitsethik, Covid-19, Triage, Ethik, Strafrecht und Grundrechte, Krankenhausseelsorge, Spiritual Care, Pflegeheim, Social Distancing
- Categories
- Coronavirus
- Medizin
- Recht und Politik