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staatlichen Akteure, die dem Gesundheitsschutz und den Maßnahmen zur
Lebensrettung besonders vulnerabler Gruppen in Krisenzeiten die oberste
Priorität staatlichen Handelns zusprachen.
Nur kurz erwähnt wird eine alternative Strategie, die eventuell den
Übergang in die spätere Lockerungsphase, die gesellschaftliches Leben
wieder ermöglichen soll, als Zusatzstrategie zur weiteren Risikoverminde-
rung begleiten könnte. „Anders zu beurteilen ist möglicherweise ein Vor-
gehen, das eine solche Strategie mit einem weitreichenden abschirmenden
Schutz vulnerabler Gruppen verbindet.“ (S.2) Doch warnt der DER zu-
gleich davor, dass gerade der Gruppe der Senioren und Hochbetagten, die
in Pflegeeinrichtung ohnehin besonders zurückgezogen leben, durch
strengere Kontaktsperren psychische Schäden (Einsamkeit, Isolation, de-
pressive Erkrankungen) drohen, die ebenfalls erhebliche Auswirkungen
auf ihre gesundheitliche Situation haben.
In ihrer abschließenden ethischen Bewertung der Gesamtstrategie zur
Eindämmung der Corona-Pandemie hebt die Stellungnahme zwei Ge-
sichtspunkte hervor: Auch in Katastrophenzeiten kann es nicht allein
darum gehen, das unmittelbare Ziel der getroffenen Maßnahmen, die Sen-
kung der Zahl von Neuinfektionen und die Reduzierung der Sterbeziffer,
mit allen geeignet erscheinenden Mitteln zu erreichen. Zugleich hat der
Staat auch angesichts singulärer Notlagen Sorge dafür zu tragen, dass die
Fundamente der Rechtsordnung gewahrt bleiben. Damit hängt zweitens
die Notwendigkeit einer ständigen Überprüfung zusammen, ob die Ein-
schränkungen der Grund- und Freiheitsrechte der Bevölkerung noch ver-
hältnismäßig sind. Die Berücksichtigung eines Zeitfaktors bei der gefor-
derten komplexen Güterabwägung ergibt sich aus der Architektonik der
Freiheitsrechte, nach der Gesundheits- und Lebensschutz nur zeitweilig
die oberste Priorität gegenüber allen anderen Rechten genießen dürfen.
„Auch der gebotene Schutz menschlichen Lebens gilt nicht absolut. Ihm
dürfen nicht alle Freiheits- und Partizipationsrechte sowie Wirtschafts-,
Sozial- und Kulturrechte bedingungslos nach- bzw. untergeordnet werden.
Ein allgemeines Lebensrisiko ist von jedem zu akzeptieren.“ (S.5)
Der ethische Ernstfall: Entscheidungsregeln der Triage-Situationen
Den zweiten Schwerpunkt der Stellungnahme bilden Kriterien zur Bewäl-
tigung dilemmatischer Entscheidungssituationen, die dann auftreten kön-
nen, wenn sich selbst die flächendeckenden und eingriffsintensiven
Schutzmaßnahmen des Grundszenarios als nicht ausreichend erweisen
sollten. In der Rückschau auf die Anfangsphase der Krise zeigt sich, dass
2. Die Ad-hoc-Empfehlung des Deutschen Ethikrats zur Corona-Pandemie
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https://doi.org/10.5771/9783748910589, am 02.10.2020, 10:33:08
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
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Die Corona-Pandemie
Ethische, gesellschaftliche und theologische Reflexionen einer Krise
- Title
- Die Corona-Pandemie
- Subtitle
- Ethische, gesellschaftliche und theologische Reflexionen einer Krise
- Authors
- Wolfgang Kröll
- Johann Platzer
- Hans-Walter Ruckenbauer
- Editor
- Walter Schaupp
- Publisher
- Nomos Verlagsgesellschaft
- Location
- Baden-Baden
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-1058-9
- Size
- 15.3 x 22.7 cm
- Pages
- 448
- Keywords
- Philosophie, Theologie, Gesellschaft, Gesundheitssystem, Biopolitik, Menschenwürde, Bioethik, Intensivmedizin, Gesundheitsethik, Covid-19, Triage, Ethik, Strafrecht und Grundrechte, Krankenhausseelsorge, Spiritual Care, Pflegeheim, Social Distancing
- Categories
- Coronavirus
- Medizin
- Recht und Politik