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willens mit der vorrangigen Frage, ob eine Behandlung ĂĽberhaupt ge-
wünscht wäre, wird in den angeführten Dokumenten in gleicher Weise
hervorgehoben und steht, neben der medizinischen Indikation, am Beginn
des jeweiligen Entscheidungsprozesses. Die Empfehlung der Ă–sterreichi-
schen Bioethikkommission weist als einziges Dokument auf das Kriterium
der Einschätzung des Risikos einer chronisch kritischen Erkrankung hin
(siehe dazu oben, Abschnitt 3.1.3).
Im Hinblick auf Triage-Entscheidungen zur Beendigung einer bereits
begonnenen intensivmedizinischen Behandlung werden konkrete Orien-
tierungspunkte vor allem in den Dokumenten der Fachgremien dargestellt
(Österreichische Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Inten-
sivmedizin 2020; Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und
Notfallmedizin 2020; Schweizerische Akademie der Medizinischen Wis-
senschaften 2020). Dazu zählen etwa das Scheitern eines Behandlungsver-
suches mit zuvor festgelegten Kriterien oder ein unter Behandlung fort-
schreitendes Multiorganversagen (Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung
fĂĽr Intensiv- und Notfallmedizin 2020).
Moral Distress und Rechtssicherheit
Ohne Zweifel stellen dilemmatische Entscheidungssituationen eine massi-
ve psychische Belastung fĂĽr die Behandlungsteams und alle an der Ent-
scheidung beteiligten Personen dar (Truog et al. 2020). Die Problematik
einer fehlenden Rechtssicherheit tritt fĂĽr die entscheidenden Personen ver-
schärfend hinzu. Es verwundert daher nicht, dass der Begriff Moral Distress
und damit verbundene Folgen (wie z. 
B. Burnout) in diesen Situationen
eine besondere und ausgeprägte Konkretisierung erfährt. Auch diese Pro-
blematik weist nicht nur eine individuelle, sondern auch eine die medizi-
nische und pflegerische Versorgung betreffende Ebene auf. Die massiven
Herausforderungen in einer Pandemie mit Triage-Entscheidungen sind
nur durch Teams mit einer hohen Resilienz zu bewältigen, andernfalls
droht der Ausfall von Gesundheitspersonal und damit eine weitere Ver-
schärfung der Ressourcenknappheit. Die Österreichische Bioethikkommis-
sion nimmt im letzten Abschnitt ihres Statements darauf Bezug und emp-
fiehlt daher Formen einer kollektiven Entscheidungsfindung wie auch die
Zuhilfenahme von unterstĂĽtzenden Einrichtungen wie einer klinischen
Ethikberatung. Ergänzend muss jedoch auch auf die notwendige Erhal-
tung der Handlungsfähigkeit an Intensivstationen verwiesen werden. Dazu
hält die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften fest:
„Die Intensivstation muss allerdings jederzeit rasch und eigenständig da-
3.2.3
Andreas Valentin
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https://doi.org/10.5771/9783748910589, am 02.10.2020, 10:33:08
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
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Die Corona-Pandemie
Ethische, gesellschaftliche und theologische Reflexionen einer Krise
- Title
- Die Corona-Pandemie
- Subtitle
- Ethische, gesellschaftliche und theologische Reflexionen einer Krise
- Authors
- Wolfgang Kröll
- Johann Platzer
- Hans-Walter Ruckenbauer
- Editor
- Walter Schaupp
- Publisher
- Nomos Verlagsgesellschaft
- Location
- Baden-Baden
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-1058-9
- Size
- 15.3 x 22.7 cm
- Pages
- 448
- Keywords
- Philosophie, Theologie, Gesellschaft, Gesundheitssystem, Biopolitik, MenschenwĂĽrde, Bioethik, Intensivmedizin, Gesundheitsethik, Covid-19, Triage, Ethik, Strafrecht und Grundrechte, Krankenhausseelsorge, Spiritual Care, Pflegeheim, Social Distancing
- Categories
- Coronavirus
- Medizin
- Recht und Politik